„Eine Einheit von Gegensätzen“

Hier spricht der Wahlsieger: Klaus-Rainer Rupp erklärt, wieso er und Erlanson so gut zusammenpassen, wie die Linke in der Opposition arbeiten will und warum er trotz strategischer Vorteile eine Fortsetzung der großen Koalition ablehnt

KLAUS-RAINER RUPP, 52, Diplom-Ingenieur, Platz zwei der Liste von „Die Linke“, 1991 Mitbegründer und seither im Vorstand der Bremer Linkspartei (PDS). Ehrenamtlicher Finanzreferent bei Attac Deutschland.

taz: Herr Rupp, die Fortsetzung der großen Koalition wäre für die Linke strategisch ein Glücksfall. Sind Sie dafür?

Ich bin kein Anhänger von Verelendungs-Theorie. Das zu propagieren, wäre ein Stück davon. Wenn es SPD und Grünen ernst damit ist, etwas für die soziale Situation der BürgerInnen Bremens zu tun, fände ich eine rot-grüne Koalition vollständig in Ordnung. Wir haben uns vorgenommen, Wahlversprechen einzufordern, wenn die nicht wahr werden…

So richtig viel verspricht die SPD aber nicht.

Ja. Aber immerhin doch, eine sozialere Politik zu machen, die Investitionen zu überprüfen, und, wenn ich mich nicht sehr irre, sie sind wenigstens skeptisch gegenüber der Krankenhausprivatisierung. Die Grünen haben auch gesagt, das wäre falsch. Jetzt wollen wir mal gucken, ob sie daraus Konsequenzen ziehen.

Ihr Wahlergebnis ist triumphal. Hatten Sie das erwartet?

Nein. Schon das Wahlziel von sieben Prozent war so kalkuliert, dass wir gesagt haben: Wenn wir das erreichen, wäre das ausgezeichnet. Dass wir mit 8,5 Prozent in die Bürgerschaft einziehen, ist erfreulich. Gerechnet haben wir damit nicht.

War ja nicht Ihr erster Versuch: Steigert das, persönlich, den Wert des Erfolgs?

Schon. Wir hatten es als PDS ja schon dreimal versucht. Ich bin mir sicher, dass nur die Kombination von Kontinuität der Linkspartei und frischem Wind der WASG dafür gesorgt hat, dass wir es schaffen.

Sie und Peter Erlanson symbolisieren diese Gegensätze…

Wir haben schon ziemlich bewusst Peter Erlanson und mich ins Rennen geschickt, um eine gewisse Form von Widersprüchlichkeit zu dokumentieren. Aber eben auch, um zu zeigen, dass das eine Einheit von Gegensätzen ist, kein übergangsweiser Waffenstillstand verfeindeter Lager.

Sie sind beide bei Attac. Hat das Vorgehen gegen die G 8-Gegner Wähler für Sie mobilisiert?

Da wäre ich vorsichtig, einen Zusammenhang zu konstruieren. Es hat uns aber sicher nicht geschadet: Wir haben deutlich gemacht, dass wir diese Form von Polizeieinsatz nicht angemessen finden. Es ist ja klar, dass die nur dazu dient, Globalisierungskritiker zu kriminalisieren. Ich glaube aber, dass es eher die glaubhafte Verkörperung anti-neoliberaler Politik war, dass unser dauerhaftes Engagement in der Region gegen Privatisierungen und Kürzungen uns Stimmen gebracht hat. Das war nachhaltiger als der G 8-Protest.

an dem Sie teilnehmen?

Ja, wir fahren nach Heiligendamm, die ganze Fraktion.

Warum?

Ich fahre da hin, weil ich es wichtig finde, gegen den G 8-Gipfel zu protestieren. Da beschließt ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium eine Politik, die uns alle betrifft, hinter verschlossenen Türen und unter Ausgrenzung der Öffentlichkeit. Das geht gar nicht, finde ich…

Ja, aber die Fraktion: Ist das denn Landespolitik?

Die Globalisierung ist längst bei uns zu Hause angekommen, in Form von Praxisgebühren, Privatisierungsdrohungen für Schulen, verteuertem Gas und in Hunderten anderen Fällen. Für mich ist auch die Forderung nach Mindestlohn eine praktizierte Alternative zur neoliberalen Globalisierung …

Eine eher bundespolitische Forderung.

Man kann aber die unterschiedlichen Ebenen nicht trennen. Die Auswirkungen der Globalisierung kommen ja in Bremen an: Wenn Hedge-Fonds Druck auf Unternehmen ausüben, dann sind große Konzerne gezwungen, zigtausend Leute auszugliedern. Oder: Sie meinen, gezwungen zu sein. Und wenn Rentenfonds Anlagemöglichkeiten suchen, steigt der Privatisierungsdruck in den Kommunen. Wir haben uns aber in Bremen auch ziemlich konkrete Sachen vorgenommen.

Was denn?

Ich kann jetzt nicht unser Elf-Punkte-Programm noch mal herbeten. Da sind sehr konkrete Forderungen drin, etwa die einer Umwandlung von Ein-Euro-Jobs in tarifvertragliche Beschäftigung. Oder eben die ganzen Investitionsprojekte, für die Geld schon festgelegt ist für die nächsten zehn Jahre. Da wollen wir prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, Vorhaben öffentlich bekannter zu machen, von denen man sagen würde: Das ist ausgemachter Quark.

INTERVIEW: BES