NPD wird Einheitspartei der Rechten

Die NPD macht sich in Berlin immer breiter. Sie ist die Gewinnerin der Kämpfe zwischen Rechten, urteilt der Verfassungsschutz. Auch die Zahl rechter Straftaten ist im Jahr 2006 stark gestiegen. Die linksextremen Parteien leiden hingegen an Überalterung

Mit 5.500 Personen rechnet der Verfassungsschutz 1,1 Prozent der Berliner Migranten extremistischen Organisationen zu. Knapp zwei Drittel davon gehören islamistischen Gruppierungen an, ungefähr ein Viertel linksextremen Gruppen, dabei vor allem der PKK beziehungsweise ihren Nachfolgeorganisationen. Vor allem aus dieser Gruppe vermeldet der Verfassungsschutzbericht erhöhte Gewaltbereitschaft, die sich in den Deliktbereichen Brandstiftung und Körperverletzung ausdrücke. Die Zahl der gewaltbereiten Islamisten schätzen die Verfassungsschützer mit 290 Personen dagegen eher niedrig. Dazu gezählt werden Mitglieder von Organisationen, die Gewalt und Terror ausüben oder befürworten, allerdings nicht in Deutschland, sondern in den Herkunftsländern der Mitglieder. Der Verfassungsschutz zählt dazu unter anderem Gruppen wie die Hamas oder die Hisbollah. In Berlin angestiegen sind im Bereich Islamismus allerdings Delikte wie Volksverhetzung oder Verstöße gegen das Vereins- und Versammlungsgesetz. awi

VON MATTHIAS LOHRE

Auf den ersten Blick klingen die Botschaften des neuen Verfassungsschutzberichts rundum positiv: Seit 2004 sinkt die Zahl der Neonazis in Berlin, und zum „rechtsextremistischen Personenpotenzial“ rechnet die Landesbehörde auch immer weniger Menschen. Von 2.400 im Jahr 2005 ist sie auf 2.190 Personen gesunken. Doch bei rechten Straf- und Gewalttaten verzeichnet der gestern vorgestellte Bericht einen klaren Anstieg. Gleichzeitig treten immer mehr Menschen der NPD bei.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) forderte deswegen gestern einen weiteren Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren: „Die gehören nach wie vor verboten. Da gebe ich keine Seele verloren, auch die von Wolfgang Schäuble nicht.“ Der Bundesinnenminister hat sich wiederholt dagegen ausgesprochen. Die „Nationaldemokraten“ profitieren laut Verfassungsschutzbericht von der Überalterung der DVU, von cleveren Bündnissen mit anderen rechten Gruppierungen und von ihren Erfolgen bei den Bezirkswahlen im September 2006. Seither sitzen in vier Bezirksparlamenten NPD-Verordnete.

Körting bemühte sich bei der Vorstellung des Jahresberichts, die Entwicklung in der rechten Szene nicht zu dramatisieren. Zwar sei die Zahl der gemeldeten rechten Straftaten im vergangenen Jahr von rund 1.600 auf fast 2.000 Delikte gestiegen. Doch das liege vor allem an der „erhöhten Sensibilität“ der Berliner, die beispielsweise Hakenkreuzschmierereien (1.345 im Jahr 2006) eifrig bei der Polizei meldeten. Auch habe sich die Zahl rechter Gewalttaten – vor allem Körperverletzungen – von 52 auf 110 mehr als verdoppelt. „Das ist nicht die Massenbewegung“, so der Senator. „Heimtückisch“ seien diese Attacken gegen Menschen mit vermeintlich ausländischem Aussehen dennoch.

Weniger Sorge bereiten dem Verfassungsschutz die Linken. Der Bericht konstatiert lapidar: „Die Mitgliedschaft linksextremistischer Parteien ist zunehmend überaltert“, Mitgliederverlusten stehen kaum Neueintritte gegenüber. Auch die Zahl der Straftaten von linksaußen blieb fast gleich: 2006 waren es 729, ein Jahr zuvor 726. Die meisten Gewaltstraftaten Linker richteten sich wie 2005 gegen den „politischen Gegner“, also Rechte.

Auch an einer anderen Front sieht es laut Körting ruhig aus. Gefahr durch islamistischen Terrorismus? Die Gefahr sei zwar „nicht ganz abstrakt“, aber sehr gering, so der Innensenator.

Die relative Ruhe in Berlin nutzte Körting für harsche Kritik an seinem Kollegen im Bundesinnenministerium: Onlinedurchsuchungen von Computern seien eine stumpfe Waffe im Kampf gegen Terrorismus. Für dieses „Butterbrot“ lohne keine Änderung des Grundgesetzes. Auch die Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung im Inland sei eine „Placebo-Debatte“.

Und mit Blick auf die Großrazzia des Bundeskriminalamts gegen Linke vor zwei Wochen kritisierte Körting erneut: „Je länger man Menschen, die mit Terrorismus nichts am Hut haben, mit Terroristen in einen Hut wirft, desto sicherer erreicht man eine Solidarisierung unter ihnen.“

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