Vom Streichelzoo ins Testlabor

Weil dem Tierpark Recklinghausen sechs Affen zu teuer wurden, hat die Stadt sie an ein Versuchslabor verschenkt. Tierschützer kritisieren verlogenes Handeln der Betreiber

Die Stadt Recklinghausen hat sechs Schweinsaffen aus einem Tierpark für Forschungszwecke verschenkt. Das Verfahren ist nach Expertenmeinung unüblich und laut TierschützerInnen verantwortungslos. Normalerweise kommen die begehrten Affen aus Zuchtbetrieben. Ein Tierversuchsgegner fordert kritischere Zoobesucher.

VON MORITZ SCHRÖDER

Im November letzten Jahres wurde der Tierpark Recklinghausen um eine Attraktion ärmer. Sechs Schweinsaffen hat die Stadt damals an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für Sera und Impfstoffe im hessischen Langen verschenkt, das dem Bundesgesundheitsministerium untersteht. Nachdem die Affen teilweise mehr als 20 Jahre lang in ihrem Gehege verbracht hatten, werden nun Tierversuche an ihnen durchgeführt. Im PEI wird den Tieren Blut abgenommen. Ihre Zellen werden mit Virus-Genen behandelt, um mögliche HIV-Impfstoffe zu testen.

Der Stadt Recklinghausen gerät nun in Erklärungsnot: „Wir sind empört, wenn es zu Tierversuchen kommt“, sagt Stadtsprecher Reinhold Hegemann. Er wirft dem PEI Vertragsbruch vor. In dem Schenkungsvertrag mit dem Institut werden mehrere Bedingungen für die Übergabe der Affen genannt, etwa eine artgerechte Haltung und dass sie „als Zuchttiere“ verwendet werden. „Dass jetzt trotzdem Tests stattfinden, schadet unserem Image“, empört sich der Sprecher.

Ein Bericht der Recklinghäuser Zeitung vom Dezember 2006 belegt allerdings, dass die Stadt schon vorher über mögliche Versuche informiert war. Ein Mitarbeiter des zuständigen Fachbereichs sagte damals über die Affen: „Maximal wird ihnen ein wenig Blut abgenommen.“ Laura Zimprich, Sprecherin des Düsseldorfer Tierschutzvereins animal public vermutet: „Die Stadt hat sich in Lügen reingesteigert, aus denen sie jetzt nicht mehr herauskommt.“

Fest steht: Der städtische Betreiber stand damals unter Druck, die Affen schnell abzugeben. „Die Infrastruktur war seit Jahren nicht mehr tiergerecht“, gesteht Hegemann freimütig ein. Weil die Stadt keine rund 10.000 Euro in die Erneuerung des Affenhauses investieren wollte, „konnten wir die Tiere nicht mehr halten“. Auch nach zwei Jahre langer europaweiter Suche habe man keinen anderen Zoo oder eine Tierpension gefunden, die die Affen hätte aufnehmen können. „Wir waren froh, als wir auf das Paul-Ehrlich-Institut gestoßen sind“, sagt Hegemann.

Üblich ist diese Vergabepraxis nicht. Normalerweise werden die Versuchstiere aus genehmigten Zuchtbetrieben geliefert, etwa dem Primatenzentrum in Göttingen. „Das ist sinnvoll, um Missbrauch zu vermeiden“, sagt Hanno Würbel, Professor für Tierschutz und Ethologie an der Universität Gießen. Auch Falko von Stralendorff, Leiter der Zentralen Versuchstierhaltung an der Ruhr-Uni Bochum, sagt: „Das ist ein Einzelfall. So etwas tut man sicher nicht gerne.“ Schließlich müssten die Eigenschaften der Tiere genau bekannt sein, um sie für Versuche verwenden zu können. Das PEI hatte allerdings eine Sondergenehmigung.

Tierschützerin Zimprich wirft den Recklinghäuser Betreibern vor, sich aus der Verantwortung für die Affen gestohlen zu haben. Dadurch seien bereits Zootiere in die Hände dubioser Tierhändler geraten. Ende 2002 wurden exotische Tiere, darunter 13 Paviane, in einem Industriegebiet in Worms gefunden, die dort unter quälerischen Bedingungen eingepfercht waren. Später kam heraus, dass die Tiere aus einem norddeutschen Zoo kamen.

In Nordrhein-Westfalen wurden nach den aktuellsten Daten aus dem Jahr 2005 an rund 374.000 Tieren Versuche durchgeführt. Die Zahl der erstmals in Versuchen verwendeten Altweltaffen, zu denen auch die Schweinsaffen gehören, hat sich seit dem Jahr 2002 um 500 auf rund 1.300 erhöht. Die im PEI getesteten Impfstoffe können laut dem Bundesgesundheitsministerium, weil sie auf einem speziellen Virus-Stamm basieren, nur in Zellen von Altweltaffen getestet werden.

Dass die Recklinghäuser Affen an das PEI abgegeben wurden, musste die Stadt nach eigener Aussage verschweigen. Stadtsprecher Hegemann begründet: „Das Institut hat wohl schlechte Erfahrungen mit Tierschützern gemacht.“