wie riecht eigentlich wolfgang schäuble? von MICHAEL RINGEL
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Wohlgefällig betrachtete er seinen Bizeps. Links ganz ordentlich. Und rechts sogar noch kräftiger. Wolfgang Schäuble verschränkte die Arme und strich ein wenig verliebt über die halbgerundeten Muskeln. Dann hob er die Rechte, reckte den Arm hoch in die Luft, drehte den Kopf tief hinein in die haarige Mulde und sog gierig seinen Eigengeruch ein. „Ahhhh …“, stöhnte der Bundesinnenminister.

Heute Morgen hatte er extra nicht geduscht, so wie der Hundeführer es ihm befohlen hatte. Eine einmalige Note aus altem Angstschweiß, fettigem Schweinebraten und auch leichtem Moder strich Schäuble um seine vor lauter Vorfreude rot leuchtende Nasenspitze. „Ahhhh …“, wiederholte Schäuble noch einmal, weil es ihm doch so gut tat.

Auch sein Rasierwasser hatte er heute weglassen müssen. „Tabac Original“. Das Gleiche, das Oliver Kahn benutzt. „Der Duft des Mannes“, hatte der Bayern-Keeper im Werbespot mit diesem herben Blick in die Kamera gesagt. „Ach, der Olli“, lächelte Schäuble mild in sich hinein, „wie der wohl riecht?“

Schäuble rollte hinüber zum Besprechungstisch. An der Kopfseite lagen die beiden Metallstäbe: zwei raue Klötze aus vierkantigem Stahl. Auf Augenhöhe mit der Tischkante näherte sich der Minister vorsichtig den beiden „Geruchsobjektträgern“, wie ein Schild daneben schwarz auf weiß verkündete. Vorsichtig schnüffelte Schäuble an den Stäben. „Absolut nichts zu riechen“, stellte er sachkundig fest, während ihm Schweißperlen auf die Stirn traten. Auch die Handflächen wurden ganz feucht. Angespannt beobachtete Schäuble die Metallstäbe. Gleich war es so weit.

Ist das Telefon aus? Unruhig sah Schäuble zu seinem Schreibtisch hinüber. „Keine Störung in der nächsten halben Stunde!“, hatte er seine Sekretärin angewiesen. Seinem Vorzimmer konnte er blind vertrauen. Hier standen die beiden Einmachgläser. „Die Geruchsobjektträger danach in die Gläser. Und luftdicht verschließen!“, hatte der Hundeführer knapp angeordnet.

Jetzt griff Schäuble zu. Links. Rechts. „Ahhhh …“, stöhnte er wieder und konzentrierte sich darauf, die beiden kühlen Metallstücke so fest wie möglich zu umklammern. „Der Schweiß wird aufs Metall übertragen. Und wir haben den Geruch“, hatte der Hundeführer den Vorgang erläutert. Eine Minute mindestens, wusste Schäuble, musste er den Probenträger halten. Vor Aufregung hatte er vergessen, auf die Uhr zu sehen, aber das war nun egal, ganz egal, es war war himmlisch, es war wie etwas, das er lange, lange vermisst hatte, es war, als ob in ihm etwas explodierte. „Ja, jaa, jaaa …“, brach es aus Schäuble hervor, dessen zuckender Körper sich aufbäumte.

Als der Bundesinnenminister wieder zu sich kam, packte er die beiden Metallstäbe akkurat in die Einmachgläser. Der Hundeführer wartete sicher schon. Nur noch einen Moment. Schäuble zog sich das Hemd an und die Krawatte zurecht. Wehmütig roch er noch einmal seiner persönlichen Note nach. Doch genug jetzt! Seine Augen verdichteten sich zu den gewohnt engen Schlitzen, mit denen er sich vor der grausamen Welt da draußen schützte. Er war zufrieden. Er hatte gefühlt, was er fühlen wollte. Er war auf der anderen, der dunklen Seite gewesen. Das war er also, der Duft des Terrors.