Empörter Empfang für Nigerias neuen Chef

Gegen die Amtseinführung des neuen Präsidenten Yar’Adua am kommenden Dienstag formiert sich massiver Protest

LAGOS taz ■ Bislang noch ist es nur Säbelrasseln. Nigerias Polizeichef des Landes erinnerte die Sicherheitskräfte daran, dass sie mit genügend Tränengas ausgestattet sind und jegliche Mittel erlaubt seien, um Proteste zu ersticken. Eine breite Front von Oppositionspolitikern, Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Gewerkschaften haben zu Demonstrationen im ganzen Land aufgerufen. Brennpunkt der Konfrontation ist der kommende Dienstag, wenn Nigerias neugewählter Präsident Musa Umaru Yar’Adua in sein Amt eingeführt werden soll, in Nachfolge des bisherigen Staatschefs Olusegun Obasanjo. Der hat gesagt, wer gegen Yar’Aduas Amtseinführung protestiere, begehe eine Rebellion gegen Gott.

Die Wahlen am 14. und 21. April, als die Bundesstaatsregierungen, das Parlament und der Präsident Nigerias neu gewählt wurden, waren nach einhelliger Meinung aller Beobachter von massivem Betrug gekennzeichnet. Vielerorts gab es gar keine Wahlzettel, aber hinterher wurde der Kandidat der Regierungspartei PDP (Demokratische Volkspartei) zum Sieger erklärt und Proteste gewaltsam niedergeschlagen. Die EU-Wahlbeobachter sprachen von 200 Toten.

Die Protestreihen füllen sich mit politischen Schwergewichten und Prominenten. Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka sagte, es finde staatlicherseits eine Anstachelung zu Gewalt statt, und sollte es so weit kommen, müsse dies als Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet werden. Unterstützung bekommt Soyinka von einer Gruppe von 48 Nobelpreisträgern, die die Wahlen als unfair bezeichneten und Neuwahlen innerhalb von 18 Monaten forderten.

Soyinka rief die Vertreter der Zivilgesellschaft auf, nun trotzdem loszumarschieren, trotz Tränengas. Ab Montag haben Nigerias Gewerkschaften zum Generalstreik und zu Protesten aufgerufen. Bereits gestern kam es in der Stadt Ibadan zu blutigen Unruhen, bei denen mindestens 10 Menschen getötet wurden.

Eine andere Front gegen die Regierung hat sich auf juristischer Ebene gebildet. Die wichtigsten unterlegenen Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl am 21. April haben Petitionen gegen die Wahl vor Gericht eingebracht und wollen Neuwahlen erreichen. Die wohl umfangreichste Petition kommt von Atiku Abubakar, einst Obasanjos Vizepräsident und dann vom obersten Gericht erst in letzter Minute zur Präsidentschaftskandidatur zugelassen. Er hat eine Mannschaft von 13 Rechtsanwalt-Kapazitäten aufgestellt und ein 487-Seiten-Dossier präsentiert. Darin werden 810 Führungskräfte der Wahlmanipulation beschuldigt: vom Präsidenten und seinem Nachfolger und dessen zukünftigem Vize, den Chefs von Polizei und Armee über den Chef der Wahlkommission bis hin zu dessen Statthaltern in fast allen Bundesstaaten und über 700 Wahlbezirken. Die Petition geißelt Ausschluss von Kandidaten, Korruption auf allen Ebenen, Parteilichkeit von Behörden.

Einen anderen Weg schlägt Professor Pat Utomi ein, der weithin als der intellektuellste der Präsidentschaftskandidaten angesehen wird. Er hat das „Zentrum für Werte bei Führungskräften“ gegründet, um eine Debatte über moralische Werte in Nigerias Politik und Gesellschaft anzuschieben. Wohl nicht nur Utomi wundert sich, wie Nigeria in wenigen Jahrzehnten zu einem Land werden konnte, wo hunderte von Milliarden Dollar Ölgelder spurlos verschwanden und auch heute, nach acht Jahren Amtszeit des selbst ernannten Korruptionsbekämpfers Obasanjos, gegen 30 von 36 Bundesstaatsgouverneure Korruptionsverfahren anhängig sind. Bei anhaltender Straflosigkeit sieht Utomi nur noch zwei Szenarien: Anarchie oder Revolution. Er selbst zieht Parallelen zu Somalia. HAKEEM JIMO