kein kommentar!
: Plausible Ausflüchte

Dass wir das noch erleben dürfen: Die Medienwächter wollen sich um 9live kümmern. Und das schon in drei Wochen!

Die Vorgeschichte ist rasch erzählt: Weil sich beim Anrufsender 9live Moderatoren verquatschten und Anhaltsspunkte lieferten, dass die ohnehin eher fragwürdigen Ratespielchen auch noch ganz aktiv manipuliert würden, machte die Medienaufsicht Druck: Innerhalb von 48 Stunden (statt der sonst üblichen 14 Tage) musste der Sender der für ihn zuständigen Bayerischen Landesmedienanstalt (BLM) Rede und Antwort stehen.

Nun ist die BLM 9live in demonstrativer Nibelungentreue zugetan, und es wurde – wie schon so oft – ein Freispruch erster Klasse: Wenige Stunden nach Eingang der 9live-Antwort erklärte BLM-Chef Wolf Dieter Ring, der Sender haben den bösen Eindruck „in seiner Stellungnahme plausibel widerlegt“.

Das ist nun aber offenbar selbst Rings üblicherweise sehr duldsamen Medienanstaltsdirektoren-Kollegen zu viel: „Das Thema ist noch nicht abgeschlossen“, sagt zum Beispiel Reinhold Albert, Chef der niedersächsichen Aufsicht und derzeit Vorsitzender der Anstaltsdirektoren; nicht alle befänden sich auf der bayerischen Linie. Und wenn Albert dann sagt, er sei nur der Vorsitzende, nicht Vorgesetzter der Medienaufseher, hört sich das glatt ein bisschen bedauernd an.

Denn es dürfte eher die Minderheit sein, die Ring noch die Stange hält. Zudem wird offen gelästert, die Formulierung von der „plausiblen“ Erklärung erinnere fatal an frühere BLM-Entscheide, nach denen ein gewisser Leo Kirch seinerzeit immer „plausibel“ dargelegt hatte, sein Medienkonzern habe mit dem von Kirch-Sohn Thomas betriebenen Sender ProSieben ja auch rein gar nichts zu tun.

Doch die Abzocke, die 9live in größter Dreistigkeit perfektioniert hat, findet auch auf anderen Kanälen statt. Und letztlich müssen hier alle Medienaufseher den Offenbarungseid leisten: Man habe keine Eingriffsbefugnis und befinde sich in einem „regelungsfreien Raum“, sagt zum Beispiel Albert. Recht hat er – nur ist das dem Gesetzgeber wohl kaum anzulasten: Dass dämliche Zockerspielchen – bei allem Respekt vor den Abgründen des Privatfernsehens – hierzulande als „Rundfunk“ durchgehen würden, hätte wohl niemand gedacht. Wer aber ist gleich nochmal für die Genehmigung von privaten Sendern zuständig und schreibt in der TV-Lizenz deren Mindeststandards in Sachen Vielfalt und Programm fest? – Erraten, die Landesmedienanstalten, die nun die Hände ringen. Und sich sehr bald schon mit der Causa 9live beschäftigen wollen: Am 21. Juni in der „Gemeinsamen Stelle Programm“ der Landesmedienanstalten kommt die „plausible“ Erklärung aus München nochmal auf den Tisch. STG