Ein Minarett, wie nett!

Die islamkritische Frauenrechtlerin Necla Kelek will herausgefunden haben, dass dem Bau einer Moschee in Deutschland auch etwas Politisches anhaftet – und die „FAZ“ druckt es gerne. Na und?

VON HILAL SEZGIN

Vermutlich würde Necla Kelek ihren immer gleichen Sermon an jedem Ort publizieren, den man ihr dafür anbietet – Hauptsache, er garantiert die Nestwärme deutscher Bürgerlichkeit. Gestern also hat das FAZ-Feuilleton Kelek den Aufmacher-Platz zur Verfügung gestellt, für einen Artikel über den Moscheebau zu Köln.

Der Skandal, auf den Kelek dieses Mal hinweisen will, besteht darin, dass Moscheen keine rein religiösen, sondern auch soziale und politische Einrichtungen sind. Nun, wen das überrascht, der wird wohl aus den Latschen kippen, wenn er erfährt, dass die Soziologie mindestens seit Max Weber herausgefunden hat, dass nicht nur Gotteshäuser, sondern bereits Religionen selbst keine „rein religiösen“, also rein ideellen Phänomene sind.

Religion bedeutet schließlich nicht bloß stille Kontemplation, sondern trifft auch normative Aussagen über das Verhältnis der Menschen zueinander; Religionen wandeln sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen und wirken umgekehrt auf diese ein.

Laut Kelek soll ein Moscheenkomplex nun auch Diskussion, Bildung und soziales Netzwerk umfassen, und das tut er ja meist auch. Weil solche allgemein menschlichen Tätigkeiten aber eine Institution noch nicht unter den 129a-Verdacht stellen, müssen sie irgendwie negativ konnotiert werden, und das tut Kelek mithilfe ihres universalen Signifikanten: der Unterdrückung der Frau. Sie äußert ihre (nicht belegte) allgemeine Erfahrung, dass „Moscheen archaische und patriarchalische Strukturen befördern“, und weil sie zugegebenermaßen nicht weiß, ob diese neue Moschee das auch tun wird, wechselt sie in Bezug auf Köln in den Konjunktiv, spricht von „Sorge“, „Misstrauen“ und „Zweifeln“. Man müsse diese Fragen nach Verfassungs- und Frauenfeindlichkeit der Moscheevereine stellen dürfen, wiederholt Kelek mehrmals – ja, dann möge sie sie doch stellen! Aber nicht den FAZ-Lesern, zumal in dieser höchst suggestiven Form.

Soll sie die Kölner Verantwortlichen doch einmal in die Zange nehmen: Wie denken Sie eigentlich über die Berufstätigkeit der Frau, über Gewalt in der Ehe oder das Menstruationstabu? Doch stattdessen unterstellt sie einfach, dass Frauenfragen „archaisch“ gehandhabt und propagiert würden. Überhaupt scheint sich in der Berichterstattung über den Islam ein neues Genre herausgebildet zu haben: der Verdächtigungsessay nämlich. Er hat die gute alte Reportage abgelöst. Spekuliert, fast muss man sagen: verleumdet wird im Vorhinein und ohne konkretes Material.

Dass die FAZ mit Titel und Bildunterschrift an Fremdenfeindlichkeit alles herausholt, was in Keleks Text schon angelegt ist, ist leicht ersichtlich. Noch unangenehmer aber berührt, was das pseudo-kritische perlentaucher.de daraus macht, der täglich online Kurzzusammenfassungen aller deutschen Feuilletons erstellt. Seit Jahr und Tag engagiert sich die Website in der „Integrationsdebatte“, indem sie alle Berichte hervorhebt, die die Präsenz von Muslimen in Deutschland als Problem erscheinen lassen. Und wenn die Texte selbst das nicht ganz hergeben, spitzt der jeweils diensthabende, anonym bleibende Redakteur es entsprechend zu. Daher wurde sämtlichen 12.000 Newsletter-Abonnenten am Dienstagmorgen berichtet, dass laut Kelek „der Bau einer Moschee keine Frage der Glaubensfreiheit, sondern eine politische Frage ist“ – samt der Suggestion, dass das Politische im Zusammenhang mit dem Islam etwas per se Ungehöriges sei.

Diese Assoziation zählt leider längst zum allgemeinen Gedankengut. Zur antiliberalen Tendenz, Kleidung und Gebaren von Muslimen öffentlich zu kommentieren und ansatzweise gar gesetzlich zu regeln, kommt hier ein zutiefst antidemokratisches Element hinzu: dass nämlich der, der sich in der Gesellschaft engagieren will, seine bestimmte erwünschte Gesinnung erst beweisen müsse.

Und wenn all die Perlentaucher und Keleks die deutsche Verfassung so liebten, wie sie es angeblich tun, müssten sie hier doch auf die Barrikaden gehen und lautstark daran erinnern: Die Liberalität unserer Verfassung garantiert, dass jeder herumlaufen kann, wie wer will – ob mit braunem, blondem, grün gefärbtem oder verhülltem Haar. Und dieselbe Verfassung ermutigt jeden hier Lebenden, die Gesellschaft mitzugestalten, einen Verein zu gründen als Plattform für Bildung, Diskussion und soziale Netzwerke.

Es hilft allerdings wenig, wenn nur die Verfassung diese Freiheiten garantiert und die öffentliche Meinung diejenigen anfeindet, die von ihnen Gebrauch machen wollen.