Ämter können nur Deutsch

Obwohl jeder vierte Berliner nichtdeutscher Herkunft ist, arbeiten im öffentlichen Dienst nur wenige Migranten. Der Senat will das ändern. Fragt sich, wie: Den Einstellungsstopp hat er selbst verhängt

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) hat gestern ein neues Integrationskonzept vorgestellt. Die Leitsätze, die der Senat vor zwei Jahren zusammen mit Migrantenvertretern erarbeitet hat, sollen nun konkretisiert, Maßnahmen und Projekte auf ihre Wirksamkeit hin kontrolliert werden, so Knake-Werner. Künftig sollen etwa mehr junge Menschen aus Einwandererfamilien im öffentlichen Dienst ausgebildet werden. In drei Jobcentern wird es Modellprojekte geben, bei denen intensiver auf Bedürfnisse von arbeitssuchenden Ausländern eingegangen wird. ALL

VON ANTJE LANG-LENDORFF
UND JENS GRÄBER

Das Missverhältnis ist frappierend: Aus Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg geht hervor, dass nicht einmal jeder zehnte Mitarbeiter im öffentlichen Dienst des Landes einen Migrationshintergrund hat. Der Anteil von Menschen nichtdeutscher Herkunft an der Bevölkerung insgesamt liegt in Berlin aber bei 23 Prozent. Bisher gab es für den öffentlichen Dienst immer nur Schätzungen. Nun steht es in der Statistik, die der taz vorliegt, schwarz auf weiß: Menschen nichtdeutscher Herkunft sind in der Verwaltung, bei Lehrern, Polizisten und in den Bezirken deutlich unterrepräsentiert.

Der Senat will diesen Zustand ändern. Das kündigte Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) gestern an. „Die Verwaltung braucht interkulturelle Kompetenz“, sagte sie bei der Vorstellung eines neuen Integrationskonzeptes. Dem steht allerdings der Einstellungsstopp entgegen, den der rot-rote Senat aus Spargründen verhängt hat. Die Senatorin kann also nur in der Ausbildung die Quote verbessern. „Unser Ziel ist es, im öffentlichen Dienst den Anteil der Auszubildenden nichtdeutscher Herkunft zu erhöhen.“

Laut Statistik für das Jahr 2005 haben von den 302.000 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst 29.500 einen Migrationshintergrund – das sind 9,8 Prozent. Jeder zehnte deutsche Berliner arbeitet in diesem Bereich. Von den Migranten und ihren Familien ist es nur jeder dreißigste.

„Wir haben viel zu wenige Menschen nichtdeutscher Herkunft im öffentlichen Dienst“, sagte auch der Integrationsbeauftragte Günter Piening. Er hofft, dass die Personalsituation in drei Jahren besser ist – und die Azubis auch übernommen werden können. „Wir brauchen diese Leute in den Ämtern.“ Bis jetzt sei der Ausländeranteil – also der Menschen ohne deutschen Pass – im öffentlichen Dienst sogar niedriger als in der Privatwirtschaft. „Das ist ein Skandal, schließlich sollte der öffentliche Dienst als Beispiel vorangehen.“

Wie notwendig die Senatsinitiative ist, zeigt auch ein Blick auf den Multikulti-Bezirk Neukölln. Im Bezirksamt gibt es nach Auskunft der Behörde gerade mal 58 Mitarbeiter mit Migrationshintergrund – von insgesamt 2.110 Beschäftigten. Arnold Mengelkoch ist der Migrationsbeauftragte Neuköllns. Er klagt über den Einstellungsstopp: Unter diesen Umständen könne sich an den Relationen kaum etwas ändern, sagte er. „Wir sind schachmatt, was die öffentliche Verwaltung angeht.“ Die Möglichkeit, Mitarbeiter mit Migrationshintergrund zu beschäftigen, gebe es nur dann, wenn neue Funktionen hinzukämen oder wenn Honorarkräfte eingesetzt würden. Als Beispiel nannte er die Jugendeinrichtungen freier Träger oder die Projektarbeit. „Interkulturelle Kompetenz kommt nicht von alleine“, so Mengelkoch.

Auch bei der Berliner Polizei gibt es noch viel zu tun. Von den rund 16.000 Berliner Vollzugsbeamten sind laut Polizeipräsident Dieter Glietsch rund 200 nichtdeutscher Herkunft. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Bei den Auszubildenen fällt die Polizeibilanz ebenfalls bescheiden aus: Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte das Ziel ausgegeben, dass unter den Azubis zehn Prozent Migranten sein sollten. Unter den 300 Polizeianwärtern waren im letzten Jahr aber doch wieder nur 21 nichtdeutscher Herkunft – obwohl sich über tausend beworben hatten.