Sprachwirrwarr an Realschule

Vor einem Jahr bekam die Weddinger Hoover-Schule den Nationalpreis – für ihr Deutschgebot. Beim Versuch, eine erste Bilanz zu ziehen, widersprechen sich Schule und Schüler in vielen Punkten

Konflikte unter den Schülern haben mit dem Deutschgebot deutlich nachgelassen

VON ALKE WIERTH

So ganz einig sind sie sich nicht, die Herren und Damen und Jungen und Mädchen, die da ein Jahr nach der Verleihung des Nationalpreises an die Hoover-Schule Resümee ziehen. Was hat der Preis, was hat die Debatte, die der Preisverleihung vorausging, der Schule gebracht?

Preiswürdig war die Weddinger Realschule für die Deutsche Nationalstiftung wegen des Deutschgebots, das sie für alle Schüler während der Schulzeit auf ihrem Gelände festgelegt hatte. Ob solch eine Festlegung statthaft, vielleicht gar sinnvoll oder im Gegenteil eine Art Zwangsgermanisierungsmaßnahme sei, darüber war zuvor ein heftiger Streit entbrannt, der vor allem zwischen eingeborenen Politikern und Vertretern der Zuwanderer ausgetragen wurde.

Wer damals recht hatte, konnte gestern bei der Pressekonferenz der laut Webseite 1993 von „Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt, dem Unternehmer Michael Otto und einer Reihe ihrer Freunde“ gegründeten Nationalstiftung auch nicht geklärt werden. Klar wurde immerhin: Das Medieninteresse hat im Verhältnis zum vergangenen Jahr deutlich nachgelassen. 15 Vertretern der Schule, der Stiftung und von Bezirks- und Senatsverwaltung saßen ebenso viele Journalisten gegenüber; gerade mal ein Kamerateam eines Lokalsenders hatte den Weg in die einst weit über Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannte Schule gefunden.

Klar wurde auch: Ein stark besetztes Podium bietet Risiken. Längst nicht immer sind sich die Vertreter der Schule einig in ihren Antworten auf die Fragen der Presse. Etwa darüber, wie viel Deutschpflicht denn nun besteht: Es käme schon – aber nur selten – vor, dass Schüler in ihre Muttersprache abgleiten, sagte beispielsweise eine Vertreterin der Schulleitung. „Und wenn’s mir dann mal wieder reicht, sage ich immer: Hallo! Können wir hier mal Deutsch reden!“, ergänzte unbefangen eine Schülerin.

Konflikte unter den Schülern hätten mit der Verpflichtung zum Deutschsprechen auf dem Schulhof deutlich nachgelassen, meint einer der Schülersprecher. Dass aber auch die Integration auf den Arbeitsmarkt dadurch besser klappe – dafür fehlen Hoover-Direktorin Jutta Steinkamp die Belege: „Solche Zahlen liegen uns nicht vor“, berichtete die Schulleiterin.

Bei der Integration soll den Schülerinnen und Schülern die Deutschpflicht aber helfen. Doch wohin integriert man sich an einer Schule, die nach Ansicht ihrer Leiter unter 370 SchülerInnen nur ganze 10 deutsche hat? So steht es jedenfalls in der Einladung zur Pressekonferenz – allerdings scheinen auch darüber viele Schüler anderer Ansicht zu sein. „Ich bin 16, hier geboren, ich fühle mich als Deutscher“, sagte ein Schüler arabischer Herkunft und ergänzte: „Auch meine Eltern fühlen sich hier integriert.“

Nach einem Jahr noch nicht fertig ist die über Jahrzehnte zweckentfremdete Aula, die mit den 75.000 Euro Preisgeld wiederhergestellt werden sollte. Theaterprojekte, Kulturveranstaltungen, „auch mit den Menschen aus diesem Viertel“, wie Schulleiterin Steinkamp betont, sollen dort später einmal stattfinden.

Klarstes Ergebnis des Rummels um die Schule ist das Tandem-Projekt, das Lehrer der Schule gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technischen Universität gerade umsetzen. Dabei wird zuerst getestet, welche Sprach- und Verständnisprobleme die Schülerinnen mit Aufgaben in Fächern wie Mathe, Erdkunde, Geschichte oder Biologie haben. Dann bekommen sie im Deutschunterricht entsprechende gezielte Förderung. Das Deutsch des aus Serbien stammenden Schülersprechers Nezir, der erst seit sieben Jahren in Deutschland lebt, lässt jedenfalls nicht zu wünschen übrig. Der Schülersprecher des letzten Jahres, Asad, hat keine Lehrstelle gefunden. Stattdessen macht der aus einer pakistanischen Einwandererfamilie Stammende derzeit an einem Oberstufenzentrum Fachabitur.