Gold glänzt in China

Nach dem Börsencrash stürzen sich die Anleger jetzt aufs Edelmetall. Experten rechnen weiter mit Turbulenzen

PEKING taz ■ Fröhliche Gesichter bei den Goldhändlern von Schanghai: Nach der rasanten Berg-und-Tal-Fahrt der chinesischen Aktien erinnern sich immer mehr Chinesen an die Weisheit ihrer Vorfahren: Gold ist verlässlich! So stieg der Goldpreis in den letzten Tagen stetig an. Chinesische Zeitungen zitieren Experten so: „Wenn der Aktienmarkt unsicher scheint, dann gilt Gold als sinnvolle Investition.“

An der Schanghaier Börse entspannten sich gestern die Mienen nach dem Schrecken über die heftigen Kursschwankungen etwas: Die Werte lagen bei Handelsschluss leicht im Plus bei 3.776,32 Punkten, während die kleinere Börse in der südchinesischen Stadt Schenzhen mit 1.086,22 Punkten einen Anstieg um 1,89 Prozent verzeichnete. Anfang der Woche waren die Kurse über 9 Prozent gestürzt, nachdem die Pekinger Regierung zuvor angekündigt hatte, dass sie die Stempelsteuer auf Kursgewinne erhöhen werde.

Die Achterbahnfahrt in China ließ die Händler an den großen Börsen – von New York bis Frankfurt am Main – weitgehend kalt, da die Kurse der wichtigen chinesischen Großunternehmen wenig betroffen waren. Zudem planen mehrere staatliche Konzerne derzeit den Börsengang. Andere wollen neue Aktien auf den Markt werfen. Dazu gehört die Citic Securities, die demnächst Anteilscheine im Wert von knapp 2 Milliarden Euro ausgeben soll. Das sind willkommene Nachrichten für die Händler auf einem Markt, auf dem sehr viel Geld nach relativ wenigen Aktien jagt.

Hinter dem Auf und Ab stecken, so heißt es in Peking, vor allem die rund dreißig Millionen Kleinanleger. Manche haben ihr ganzes Vermögen an die Börse getragen, weil sie sich schnell hohe Gewinne versprechen, andere vertreiben sich die Zeit in den Handelshäusern. „War gupiao“ – „mit Aktien spielen“ – wurde zum Volkssport, nachdem die Kurse 2006 um 130 Prozent anstiegen und in den ersten Monaten dieses Jahres bereits über 40 Prozent zulegten. Chinas Zeitungen sind derzeit voll von Berichten über Familienväter, die ihre Wohnungen verpfänden, um Geld für die Börse zu haben, oder Studenten, die ihre Stipendien flüssigmachen in der Hoffnung auf das schnelle Geld.

Insgesamt sind die Aktien in China, sagen Experten, um mindestens dreißig Prozent überbewertet. Deshalb werde das Schlingern an den chinesischen Börsen in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen. Ob und wann die Blase platzt, wie Skeptiker warnen, ist aber bislang völlig unvorhersehbar.

JUTTA LIETSCH