Wie Sklaven gefangen in der Ziegelei

In China suchen jährlich Millionen ihr Glück in den Städten. Jetzt wurde ein neuer Fall extremer Ausbeutung bekannt

PEKING taz ■ Ihr Arbeitstag dauerte zwanzig Stunden. Die heißen Steine mussten die knapp drei Dutzend Arbeiter einer Dorfziegelei in der nordchinesischen Provinz Shanxi auf dem nackten Rücken tragen. Geld gab es dafür keines. Über ein Jahr hielt der Ziegeleibesitzer in Caocheng die Männer wie Sklaven gefangen. Erst als durchsickerte, dass einer der Arbeiter zu Tode geprügelt worden war, stürmte die Polizei das Gelände.

Der Fall der Ziegelei gehört zu den extremen Beispielen von Ausbeutung, die in China vielerorts alltäglich ist. Zum Alltag gehört auch, dass täglich Millionen Chinesen ihr Glück in den größeren Städten versuchen. Auch die meisten der befreiten Ziegeleiarbeiter seien mit ihren Bündeln angekommen und mit dem Versprechen auf einen Job in die Ziegelei gelockt worden, hieß es am Freitag in der Pekinger Tageszeitung.

Das Heer der Wanderarbeiter der Region Shanxi ist inzwischen auf über 200 Millionen angeschwollen. Weil die Arbeitslosigkeit besonders unter ungelernten Bauern hoch ist, bleibt vielen keine Wahl. Genommen wird jeder Job, der sich bietet – dann bleibt nur die Hoffnung, dass am Ende des Jahres der versprochene Lohn ausgezahlt und man einigermaßen anständig behandelt wird. In vielen Fällen sind die Unternehmer die mächtigsten Männer am Ort – wozu auch der lokale Parteisekretär zählt, der in der Hierarchie über dem Bürgermeister steht. Auch die Ziegelei in Caocheng gehört dem Sohn des Dorf-Parteichefs.

Nach Jahrzehnten der Alleinherrschaft der KP fühlen sich diese Funktionäre wie lokale Fürsten. Sie kontrollieren örtliche Polizei und Gerichte und halten sich nicht selten Schlägerbanden, um Gegner und Kritiker einzuschüchtern. Obwohl die Pekinger Regierung immer wieder verspricht, der staatliche Gewerkschaftsverband werde sich um die rechtlosen Wanderarbeiter kümmern, ist bislang wenig geschehen.

Das – an vielen Stellen gute – Arbeitsrecht wird zumeist nicht umgesetzt. Selbst in Chinas Großbetrieben sind nur wenige Beschäftigte gewerkschaftlich organisiert. Wer selbst eine Interessenvertretung gründet, um bessere Arbeitsbedingungen und sichere Löhne zu erreichen, muss damit rechnen, verhaftet zu werden.

Im Fall der Ziegelei sind mittlerweile allerdings auch mehrere Verantwortliche verhaftet worden. Doch ob der Sohn des Parteisekretärs darunter ist, ist bisher noch nicht bekannt geworden. JUTTA LIETSCH