Youtube statt dpa?

Wenn Blogs eigentlich Kolumnen sind und Laien plötzlich Kollegen: Online-ChefredakteurInnen diskutieren das schwierige Verhältnis von Profi- und BürgerjournalistInnen

Relaunch heißt es in der Fachsprache, wenn sich ein Medienprodukt neu erfindet, um weitere Zielgruppen zu erschließen. Angefeuert durch den Web 2.0-Hype erfanden sich im letzten halben Jahr die Internetauftritte von Welt, Focus und Co. gleich reihenweise neu. Doch mit so manchen der neuen Zielgruppen, die man sich damit erschloss, kamen auch neue Herausforderungen: Wie umgehen mit BürgerjournalistInnen – den LeserInnen, die plötzlich zurück schreiben? Gefährden sie traditionelle Medien – oder ergänzen sie sie? Das diskutierten am Donnerstagabend tagesspiegel.de-Chefin Mercedes Bunz, der Leiter der Online-taz Matthias Urbach, der Chefredakteur von welt.de Christoph Keese sowie Sebastian Basedow von hauptstadtblog.de im taz-Café in der Berliner Kochstraße.

Bunz, die unter mercedes-bunz.de selbst bloggt, sieht Blogs und Community-Websites wie Myspace als Chance für den Journalismus: „Auch Youtube ist eine Quelle.“ Seit Dienstag ist der Tagesspiegel mit seinem neu gestalteten Internet-Auftritt online – acht Blogs inklusive, allerdings ausschließlich von AutorInnen der Stammzeitung. Von Bürgerjournalismus bislang keine Spur.

Aber auch Kollegen können für genug Ärger sorgen – das musste zumindest Kollege Keese erfahren. Auf Welt-Debatte hatte der Kommentarchef von Welt am Sonntag, Alan Posener, über Bild-Chef Kai Diekmann kräftig hergezogen – nach kurzer Zeit wurde der Beitrag auf Geheiß der Chefredaktion aber entfernt. Es sei eine Illusion zu glauben, dass professionelle Journalisten private Blogs auf Welt.de schreiben könnten, verteidigte Keese den Eingriff. „Das Blog eines Redakteurs ist eine Kolumne.“

Aber wie stehen denn nun professionelle und private Autoren zueinander? Das Podium war sich am Ende einig, dass Bürgerjournalisten nicht in Konkurrenz zu den Etablierten stünden. Redaktionen agierten als Einheit, es gebe klare Hierarchien und sowohl stilistische als auch ethische Regeln. „Blogs hingegen schreibt jeder Autor individuell und eigenverantwortlich“, erklärte Basedow.

Differenzierung des Angebots, lautet Keeses Devise. Denn so wie es im professionellen Journalismus unterschiedliche qualitative Niveaus gebe, müsse man auch im Internet differenzieren, ob hinter dem Text ein professioneller oder hobbymäßiger Autor steht. Es gehe um journalistische Verlässlichkeit.

Noch im Juni wird auch taz.de gerelauncht. Online-Chef Urbach sieht Bürgerjournalismus klar als Bereicherung – schließlich sei auch die taz ursprünglich ein Projekt von Bürgerjournalisten gewesen, die eine Gegenöffentlichkeit zu den etablierten Medien schaffen wollten. „Heute wäre die taz als Internetprojekt gestartet“, so Urbach. RUS