Stasi bekommt kein Visum

Nach Protesten wird Konferenz mit ehemaligen Stasi-Offizieren in Dahlem abgesagt. Veranstalter sprechen von Niederlage der Wissenschaft, Opferverband begrüßt verhinderte „Geschichtsklitterung“

von MATTHIAS LOHRE

Thomas Wegener Friis hatte es sich so schön vorgestellt: Einstige hohe Stasi-Offiziere diskutieren in Dahlem mit Wissenschaftlern der Birthler-Behörde, mit Historikern aus Berlin, Moskau und Brüssel über die Auslandsspionage ihres ehemaligen Arbeitgebers. Auch ein Datum hatte der dänische Historiker von der Süddänischen Universität in Odense seit Monaten festgelegt. Der 16. und 17. Juni sollten es sein. Aus der umstrittenen Stasi-Veranstaltung am Jahrestag des Aufstands von 1953 wird nun nichts.

Die Max-Planck-Gesellschaft, in deren Räumen im Harnack-Haus in Dahlem die Konferenz stattfinden sollte, kündigte vergangene Woche den Vertrag mit den dänischen Organisatoren. Ein Sprecher der Max-Planck-Gesellschaft reichte die Verantwortung dafür am Wochenende an die Birthler-Behörde weiter: Weil die Stasiunterlagenbehörde Anfang Juni ihre Zusage zurückgezogen habe, sei das Veranstaltungskonzept aus dem Gleichgewicht geraten. Birthler-Sprecher Andreas Schulze sprach von einer „politischen Entscheidung“.

Die Veranstaltung hätte vielleicht zum letzten Mal eine Reihe einst hochrangiger Stasimitarbeiter auf offener Bühne vereint. Zu den Geladenen zählte Werner Großmann. Der heute 78-Jährige stieg in der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi – dem Auslandsgeheimdienst der DDR – bis zum Nachfolger Markus Wolfs auf, den er 1986 beerbte. Damit war der Jurist zugleich Stellvertreter Erich Mielkes im Ministerium für Staatssicherheit.

An der Süddänischen Universität gab man sich verständnislos angesichts der Absage. „Wir verstehen die Entscheidung nicht“, sagte Universitätsrektor Jens Oddershede. Thomas Wegener Friis, der Initiator der Veranstaltung, sprach von einer „Niederlage für die Freiheit der Wissenschaft“. Er hoffe, die Veranstaltung später mit einem anderen Partner doch noch organisieren zu können.

Zufrieden zeigten sich hingegen Opferverbände und CDU. Der Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte in Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, urteilte, den „Geschichtsklitterern“ dürfe kein Forum geboten werden.

CDU-Fraktionsvize Michael Braun assistierte: „Die Berliner Wissenschaftslandschaft darf nicht für die Geschichtsklitterung und Verharmlosungsbestrebungen ehemaliger Stasi-Kader missbraucht werden.“ Die Kündigung des Mietvertrages für die Räumlichkeiten im Harnack-Haus sei daher „der einzig richtige Schritt“ gewesen.