Stromkunden in der Vattenfalle

Alles andere als Transparenz: Der Stromkonzern erhöht die Preise und stellt seinen Kunden in einem Schreiben nur die zwei teuersten Tarife vor, der günstigere davon gekoppelt an einen Schutzbrief. Senat kritisiert – Verbraucherzentrale prüft Klage

Vattenfall erhöht zum 1.Juli die Preise: Wer nichts tut, wird von Berlin Klassik (18,30 Cent/kWh) auf Berlin Basis (19,30 Cent/kWh) gesetzt. Billiger ist ein Online-Wechsel zu Berlin Easy (www.vattenfall.de/berlin-easy), moralischer ein Wechsel zu einem Ökostromanbieter (www.lichtblick.de). Verbraucherschützer raten, den Zählerstand abzulesen. Ansonsten überschlägt ihn großzügigerweise der Konzern. ALE

VON ANNA LEHMANN

Vattenfall erhöht die Strompreise, doch keiner soll es merken. Derzeit erhalten die 1,9 Millionen BerlinerInnen Kunden Post von ihrem Stromanbieter. Darin informiert Vattenfall, dass der alte Berlin-Klassik-Tarif ab 1.Juli nicht mehr gilt. Diesen bezieht nach Konzernangaben die überwiegende Mehrheit der Kunden. Ihnen empfiehlt das Unternehmen den Wechsel in den neuen Klassik-Privatkunden-Tarif. Wer sich dafür entscheidet, kauft Strom im Paket mit einem sogenannten Haushaltsschutzbrief für jährlich 54 Euro. Wer nicht antwortet, wird automatisch hochgestuft in den teuersten Tarif, den der Konzern im Angebot hat, den Basis-Tarif.

Hinter den Umbenennungen und Paketangeboten verbirgt sich eine über sechsprozentige Preiserhöhung, mit denen Vattenfall und andere Stromanbieter auf den Wegfall bestimmter staatlicher Kontrollen reagieren (die taz berichtete). Ab 1.Juli müssen die Energiekonzerne ihre Kalkulationen nämlich nicht mehr von den Bundesländern genehmigen lassen.

Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) kritisiert Vattenfalls Informationspolitik entschieden. „Dies erschwert den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Vergleich alternativer Angebote“, sagte sie der taz. Transparenz sei aber eine wesentliche Voraussetzung für funktionierenden Verbraucherschutz. Mehr als verbalen Beistand kann die Senatorin den BerlinerInnen indes kaum bieten. Rechtlich sehe sie derzeit keine Möglichkeiten.

Die Berliner Verbraucherzentrale erwägt hingegen eine Klage gegen den Konzern: „Wir prüfen derzeit, ob die Kopplung von Stromlieferung und Haushaltsschutzbrief zulässig ist“, sagt Sprecherin Gabriele Francke. Dies sei eine absolute Neuheit im Stromanbietermarkt. Mit dem Vattenfallschen Schutzbrief können die Mieter etwa persönliche Dokumente deponieren oder gebrochene Wasserrohre bis zum Betrag von 500 Euro reparieren lassen. Eine gute Hausratsversicherung reiche allemal aus, meint Francke. Sie rät den Kunden in jedem Fall, auf die Offerte zu reagieren. „Denn wer gar nichts tut, bleibt im teuersten Tarif.“

Als dreist gegenüber dem Verbraucher bezeichnet Michael Schäfer, Verbraucherexperte der Grünen, die Versicherungsgeschäfte des Konzerns: „Es ist fragwürdig, wenn der Kunde einen überflüssigen Schutzbrief akzeptieren muss.“ Probleme hat der Grüne auch damit, dass den Kunden die Auswahl zwischen zwei der teuersten Tarife suggeriert werde.

Für den Wechsel in andere Tarife gibt Vattenfall seinen Kunden kleine Fleißaufgaben auf. So fehlen in dem Informationsschreiben Hinweise auf den günstigen Online-Tarif und den Ökostromtarif. Diese müssen im Internet recherchiert oder in Beratungsstellen nachgefragt werden. „Wir wollten keine zusätzliche Verwirrung stiften“, begründet Unternehmenssprecher Olaf Weidner die Vorauswahl. Das Unternehmen gehe davon aus, dass die meisten Kunden sowieso bei ihrem bewährten Tarif bleiben wollen. Dass diese aus Umfragen aus dem Jahre 1999 gewonnene Erkenntnis falsch sein könnte, räumt Weidner ebenfalls ein. „Wir spüren Kritik und Unruhe.“ Deshalb werde Vattenfall in den nächsten Tagen zusätzliche Infos „in geeigneter Form“ nachreichen. In welcher Form, bleibt vorerst geheim.