Moppel müssen abspecken

Die Landesgesundheitskonferenz einigt sich auf Ziele für Vorschulkinder. Sie sollen kräftig abnehmen und besser sprechen lernen. Grüne bezeichnen Gesundheitspolitik des Senats als „katastrophal“

VON ANNA LEHMANN

Berliner Kinder sollen schlanker, geschickter und redegewandter werden. Die Mitglieder der vierten Landesgesundheitskonferenz haben sich nach dreijähriger Beratung auf gemeinsame Gesundheitsziele geeinigt. So sollen einerseits mehr Vorschüler bei der Einschulungsuntersuchung als motorisch, sprachlich und körperlich unbedenklich eingestuft werden können. Andererseits sollen Unterschiede zwischen Kindern aus deutschen und nichtdeutschen Elternhäusern bis 2011 verringert werden.

Die Mitglieder der Landesgesundheitskonferenz werden von der Senatsverwaltung für Gesundheit berufen. Mit den jetzigen Zielen haben sich in Berlin erstmals alle Akteure – von den Bezirksämtern bis zur Ärztekammer – im stark zergliederten Gesundheitssektor auf gemeinsame und verbindliche Vorgaben geeinigt. Ähnliche Absprachen gibt es auch in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt.

Die Einigung auf gemeinsame Ziele wertete Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) als Erfolg. Sie umzusetzen werde aber ein langwieriger Prozess.

Dabei sehen die Vorgaben auf den ersten Blick wenig spektakulär aus: Der Anteil normalgewichtiger Kinder soll von 81 Prozent auf 83 Prozent steigen, statt bisher 71 Prozent soll 75 Prozent der Kinder in vier Jahren eine gute sprachliche Entwicklung bescheinigt werden. Doch zoomt man in den aktuellen Bericht zur gesundheitlichen Lage von Vorschulkindern, wird die Herausforderung deutlich – der Bericht dokumentiert einen engen Zusammenhang zwischen Herkunft und Gesundheit.

Kinder aus unteren sozialen Schichten und nichtdeutschen Elternhäusern haben viel häufiger mit Problemen bei Sprache und körperlicher Entwicklung zu kämpfen als ihre Mitschüler aus der Mittel- und Oberschicht. So ist etwa im Gesundbrunnenviertel mehr als ein Fünftel der Vorschulkinder übergewichtig. In der Gruppe jener Kinder, denen mindestens gute Deutschkenntnisse bescheinigt werden, kann hier nur jedes fünfte den Satz „Das grüne Pferd kann schnell rennen“ fehlerfrei nachsprechen. Im Mittelschichtkiez Prenzlauer Berg scheitern weniger als 5 Prozent der Kinder an dieser Aufgabe, übergewichtig sind weniger als 10 Prozent der Vorschüler. Der gestern veröffentlichte Bericht basiert auf den Ergebnissen der Einschulungsuntersuchung von fast 30.000 Schulanfängern des Jahres 2005.

„Gerade die Kinder mit Migrationshintergrund zu erreichen ist schwierig“, sagt Carola Gold, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit Berlin. Zwar gebe es in Berlin viele Projekte, die Krankheit und Problemen vorbeugen sollen. „Doch es hapert an der Nachhaltigkeit. Die Projekte greifen oft zu wenig ineinander.“ Ein weiteres Problem sei, dass solche Präventionsangebote am ehesten von der Mittelschicht genutzt werden.

Die Grünen-Fraktion kritisierte die Kindergesundheitspolitik des rot-roten Senats als „katastrophal“. „Im öffentlichen Gesundheitsdienst wurde so gekürzt, dass präventive Erstbesuche bei Neugeborenen und Reihenuntersuchungen in den Kitas schon lange nicht mehr flächendeckend durchgeführt werden“, erklärten die Sprecherin für Gesundheitspolitik, Heidi Kosche, und die für Familienpolitik, Elfi Jantzen.