Provider-Sperren: Leben ohne Sex.com

Internet-Anbieter spielen zunehmend ihre Macht aus. Eifrige Downloader fliegen aus dem Netz, Angebote von Konkurrenten werden gesperrt.

Unabhängig von Providern: Pixelbild aus Toastbrot von Frank Platte. Bild: dpa

Wer aktuell als Kunde des Internet-Anbieters Arcor versucht, eine von mehreren populären schlüpfrigen Web-Angeboten in seinem Browser aufzurufen, stößt auf eine virtuelle Mauer im Netz: Die Porno-Seiten, darunter die enorm bekannte Adresse "Sex.com", wurden Provider-seitig gesperrt, sind zwar weiter im Internet erreichbar, nur eben nicht über Arcor.

Grund für die Sperre ist laut Recherchen des IT-Nachrichtendienstes "Heise", dass ein Konkurrent eben jener ausländischen "Adult"-Inhalte bei dem Eschborner Telekommunikationsunternehmen vorstellig geworden sei. Dieser beklagte offenbar, dass "Sex.com" und Co. keine nach deutschem Recht zwingende Altersverifikation vorhielten und somit gegen das Verbot der Verbreitung pornografischer Schriften verstießen. Arcor habe deshalb, so ein Sprecher laut "Heise", die Seiten bis zur Klärung der Rechtsbewertung zunächst freiwillig gesperrt. Die Kunden, berichtet der Dienst, wurden nicht informiert.

Man kann über den Vorgang denken was man will, "Zensur" schreien oder das Vorgehen aus Jugendschutzgründen für richtig halten - der Vorfall zeigt letztlich, welche Macht Internet-Provider über ihre Kundschaft haben und das, was sie im Internet zu Gesicht bekommen. War es früher noch höchst verpönt, den Zugang irgendwie zu beschneiden und sahen sich die Netz-Anbieter selbst als Teil der zensurfreien Online- Avantgarde, werden im knallharten Breitband-Geschäft inzwischen des Öfteren die härtere Bandagen herausgeholt, seit das Segment zu Massengeschäft verkommen ist.

Insbesondere der US-Markt gibt die Richtung vor. Der in vielen Regionen marktbeherrschende Kabel-Internet-Anbieter Comcast fährt beispielsweise eine Politik, bei der Vielnutzer aus dem Netz fliegen, wenn sie ein bestimmtes Bandbreitenlimit überschreiten - trotz Flatrate-Verträgen. Besonders erstaunlich: Die Limitierung wird von dem Provider nicht kommuniziert, sie droht Download-freudigen Kunden also jederzeit. Im Zeitalter legaler Videodienste wie YouTube & Co. lassen sich die Raten US-Nutzerberichten zufolge selbst dann erreichen, wenn man nicht zu den Liebhabern geklauter Filme und Musikhits gehört.

Ein weiterer amerikanischer Trend sind direkte Eingriffe in das eigene Netz. Dazu gehört das so genannte "Traffic Shaping", bei dem etwa unerwünschte Dienste wie BitTorrent unterdrückt oder mit einer geringeren Bandbreite ausgestattet werden. AT&T, einer der wenigen übrig gebliebenen landesweiten DSL-Anbieter, kündigte kürzlich gar an, direkte Filter in das eigene Netz einzubauen, um den Austausch urheberrechtlich geschützter Inhalte Provider-seitig zu verhindern. Die US-Netzbürgerrechtsorganisation EFF schrie Alarm.

Aber auch zu eigenen Angeboten konkurrierende Dienste werden von Internet-Anbietern inzwischen beschnitten. So verbieten die mobilen Online-Services mehrerer deutscher Handy-Netzbetreiber explizit die Verwendung von Voice-over-IP-Diensten, mit denen sich günstiger telefonieren lässt als über das Handy.

Zum zunehmend wilderen Provider-Markt gehört auch der Kampf um die so genannte Netzneutralität. Diese stellt sicher, dass alle gewünschten Internet-Angebote in der jeweils bestmöglichen Geschwindigkeit an den Kunden ausgeliefert werden - ohne Ansicht des Anbieters der Inhalte. Dadurch erreicht man beispielsweise eine Nachrichtenwebsite wie CNN.com genauso schnell wie ein privates Weblog, so lange die Seitenbetreiber über eine genügend schnelle Server-Verbindung ins Netz verfügen. Für den Provider, so war es bislang zumindest, sind alle gleich.

Für Netzveteranen wie den Miterfinder des Internet-Protokolls, Vint Cerf, der heute als "Elder Statesman" bei Google arbeitet, ist diese Netzneutralität der zentrale Grund, warum sich das Internet derart durchsetzen konnte - und warum es auch heute noch so innovativ ist. Die Netzneutralität ist in den USA allerdings nicht mehr gesetzlich festgeschrieben - und die Konzern-freundliche Bush-Regierung macht keine Anstalten, dies zu ändern.

So kündigte etwa AT&T an, Anbieter von Internet-Inhalten künftig zur Kasse zu bitten, um eine möglichst schnelle Anlieferung zu garantieren. Diese würden dann gleich zweimal zur Kasse gebeten - für ihre Server- Anbindung und für AT&T (und letztlich jeden anderen Provider, der die Netzneutralität aufgibt). Das Netz ist also keineswegs so stabil, wie viele Nutzer meinen. Um die Vorherrschaft wird nach wie vor gekämpft.

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