Handel mit China: Der Staat soll helfen

Chinas großer Handelsüberschuss sei das Ergebnis von Handelshemmnissen, beklagen europäische Firmen. Sie fordern Abhilfe von der chinesischen Regierung.

Der Export boomt - was aber lässt China ins Land? Bild: ap

PEKING taz Westliche Beschwerden über die Sicherheit chinesischer Produkte haben noch lange nichts mit Protektionismus zu tun: Das war die Botschaft, die US-Präsident George Bush am Wochenende seinem chinesischen Amtskollegen Hu Jintao übermittelte.

Einen ähnlichen Versuch unternahm gestern in Peking die europäische Handelskammer in China. Sie vertritt dort als Lobbyorganisation die Interessen europäischer Unternehmen. In der Vergangenheit waren ihre Forderungen kleinlaut und bescheiden, weil man in der Pekinger Regierung einen Auftraggeber sah, den man nicht zu sehr ärgern wollte. Heute ist das anders.

"Die europäische Industrie ist im Kern bedroht, wenn sie in China zum Technologietransfer gezwungen wird", warnte Jörg Wuttke, der Vorsitzende der europäischen Handelskammer, am Dienstag in Peking bei der Präsentation des Jahresberichts seiner Organisation. Wuttke ist der langjährige Chefrepräsentant des deutschen Chemieriesen BASF, der hier erfolgreich arbeitet. Er ist also kein Scharfmacher. Umso erstaunlicher waren seine deutlichen Worte.

Dabei ist der Technologietransfer, den Wuttke besonders aufs Korn nahm, im Westen ein ähnliches Reizthema wie die Produktsicherheit. Beides, so suggerieren derzeit nicht nur deutsche Schlagzeilen, mache den westlichen Konsumenten Angst, die ihr geistiges Eigentum davonschwimmen sehen. Wie aber lassen sich diese Sorgen in China vernünftig der Öffentlichkeit mitteilen?

Wuttke sprach vor allem zur chinesischen Presse. Er zeigte den Kontext der Vorwürfe auf: Chinas gewaltigen Handelsüberschuss mit Europa. Nach Angaben der Kammer wird Chinas Überschuss mit der EU in diesem Jahr auf "überwältigende" 140 Milliarden Euro ansteigen - nach einem Überschuss von 128 Milliarden Euro im letzten Jahr. Zwar würden die europäischen Exporte nach China boomen und seien zuletzt um 22 Prozent auf 63 Milliarden Euro gestiegen. Doch Chinas Überschuss wachse trotzdem weiter. "Bei einem solchen Defizit kann niemand von Europa erwarten, nichts dagegen zu tun", sagte Wuttke.

Das war ein fairer Hinweis. Denn er legte nahe, dass sich viele Vorwürfe im Westen aus der erdrückenden Handelsarithmetik speisen. Das sollten sie aber nicht. Die Handelszahlen sind schließlich zunächst ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Das hatte wohl auch US-Präsident George Bush im Sinn, als er die Debatten um Produktsicherheit und Protektionismus trennen wollte.

China müsse sich noch viel weiter für ausländische Investitionen öffnen, wenn es nach der Handelskammer geht. Das Land habe von 2001 bis 2006 die im Zuge des Beitritts zur Welthandelsorganisation eingegangenen Selbstverpflichtungen zur Marktöffnung erfüllt. Doch heute sei die Diskussion viel weiter, niemand habe 2001 den Handelsüberschuss von heute vorraussehen können. Also müsse China zum Beispiel den noch immer bestehenden Joint-Venture-Zwang für Automobilhersteller aufheben, müsse die weitgehend geschlossene Versicherungsbranche für ausländische Firmen öffnen oder ausländischen Fluglinien mehr Landerechte einräumen. Die Liste der Kammerforderungen ist lang. Dabei betonte Kammerpräsident Wuttke, dass es nicht um Privilegien europäischer Firmen ginge, sondern lediglich um ihre Gleichbehandlung durch die chinesischen Behörden.

Besonders überraschend aber war eine weitere Forderung der Kammer: Die chinesische Zentralregierung müsse dringend ihr Aufsichtspersonal in den Ministerien stärken, um neue Gesetze, wie etwa zum Schutz geistigen Eigentums, vor Ort besser durchsetzen zu können. Überall, auch bei der Einhaltung von Umweltrichtlinien, die deutsche Firmen beachten, aber nicht die chinesischen, bedürfe es strengerer staatlicher Aufsicht. So gaben die europäischen Unternehmer am Ende Empfehlungen zum Aufbau eines stärkeren KP-Staats. Die Handelsdebatte mit China hat eben die sonderbarsten Windungen. GEORG BLUME

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