„Die Kinder sind hervorragend integriert“

Allerdings müsse der Nachwuchs ehemaliger Vertragsarbeiter nach der Schule oft im elterlichen Laden helfen, sagt die vietnamesischstämmige SPD-Politikerin Nonnemann – was die Jugendlichen überfordere. Sorgen machen ihr die Alten

taz: Frau Nonnemann, wie wurden die Bootsflüchtlinge und die ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam in der deutschen Gesellschaft aufgenommen?

Thuy Nonnemann: Bootsflüchtlinge kamen ab 1979 nach West-Berlin. Die Wirtschaft boomte. Sie erhielten Aufenthaltsrecht, Arbeitserlaubnis, Deutschkurse und Ausbildungsangebote. Und es war ihnen gestattet, ihre gesamte Großfamilie nachzuholen. Die Vertragsarbeiter hingegen sollten sich in der DDR nicht integrieren, sondern nach fünf Jahren wieder ausreisen. Sie lernten nur so viel Deutsch, wie für die Verständigung am Arbeitsplatz nötig war. Nach der Wende erhielten sie nur ein Bleiberecht, wenn sie genug Geld verdienten. Da sie ihre Arbeitsplätze verloren hatten, blieb ihnen nur die Selbstständigkeit. Aber Politik und Gesellschaft haben ihnen damals auch signalisiert, dass sie nicht willkommen waren.

Wie sieht es heute mit der Integration aus?

Die zweite Generation ist hervorragend integriert. Die Kinder der ehemaligen Vertragsarbeiter sind gute Schüler, sie sprechen gut Deutsch. Probleme ergeben sich durch die Situation der Eltern: Viele Jugendliche müssen nach Schulschluss im Laden mithelfen, was oft eine Überforderung ist. Sie sprechen nur rudimentär Vietnamesisch, weil den Eltern die Zeit fehlt, ihnen ihre Sprache zu vermitteln. Die Kinder der Bootsflüchtlinge sind schon erwachsen. Viele von ihnen sind Akademiker. Bei den Bootsflüchtlingen sind auch die meisten Angehörigen der ersten Generation gut integriert.

Anders als die Bootsflüchtlinge, die aus politischen Gründen alle Brücken in die Heimat abgebrochen haben, sind viele Vertragsarbeiter stark in ihren Großfamilien in Vietnam verhaftet. Behindert das die Integration?

Ja. Aber die Integration kann auch deshalb nicht stattfinden, weil ein Großteil der ehemaligen Vertragsarbeiter nur solange in Deutschland bleiben will, bis ihre Kinder das Studium abgeschlossen haben. Sie können sich nicht vorstellen, in Deutschland alt zu werden.

Was kann der deutsche Staat tun, um die Vertragsarbeiter besser zu integrieren?

Das ist schwierig, denn die meisten wollen das ja gar nicht. Viele möchten hier nur Geld verdienen und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen, dann aber als Familie nach Vietnam zurückkehren. Aber angesichts der Gesundheitsversorgung in Vietnam ist es bei vielen unrealistisch, dass sie dort alt werden. Die interkulturelle Öffnung von Einrichtungen für alte Menschen wird ja seit einiger Zeit diskutiert. Es ist sinnvoll, wenn in die Debatte Vietnamesen einbezogen werden. Sie sollen sagen, wie sie sich ihr Leben im Alter hier vorstellen. Die Händler müssen die Möglichkeit haben, Integrationskurse zu besuchen. Dort gehen sie nicht hin, weil sie dann weniger verdienen und ihre Familien in Vietnam nicht unterstützen könnten. Es wäre schön, wenn der Staat dafür einen Ausgleich schaffen könnte. Schließlich haben diese Menschen ein unbefristetes Bleiberecht.

INTERVIEW:
MARINA MAI