Klimaschutz: Kohlendioxid lässt sich nicht recyceln

Die Idee klang zu schön, um wahr zu sein: Shell und Statoil wollten Kohlendioxid in Ölfeldern verschwinden lassen und so neues Öl fördern. 60 Millionen Euro später ist klar: Es geht nicht.

Shells Ölplattformen vor Norwegen müssen ohne Kohlendioxid-Injektion auskommen. Bild: ap

STOCKHOLM taz Die Idee schien von vornherein fragwürdig, aber zumindest nicht ganz unrealistisch: Das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) aus den Verbrennungsgasen von Kraftwerken wird abgesondert und über Rohrleitungen in Ölkavernen unter dem Meeresgrund geleitet. Dort sollte es dann nicht nur lagern, sondern auch die ansonsten nicht förderbaren Ölreste an die Oberfläche drückt. Das Modell stammt aus Norwegen, das s damit seine zukünftige Energieversorgung sichern wollte, ohne die Klimabilanz zu belasten. Und es wird nicht mehr weiter verfolgt. Die Ölkonzerne Shell und Statoil haben erklärt, dass sie kein weiteres Geld in das Projekt stecken wollen. Technisch sei es zwar möglicherweise realisierbar, finanziell aber ein "Fass ohne Boden" und somit kommerziell uninteressant.

Dabei waren Shell und Statoil anfangs besonders begeistert von der Deponieidee. Über eineinhalb Jahre setzten sie 90 Experten an die Entwicklung und investierten 60 Millionen Euro. Das Ergebnis fiel anders aus als erhofft: Für die geplante Injektion des Kohlendioxids in den Meeresgrund müssten die bestehenden Ölförderanlagen ein Jahr stillgelegt und vollständig umgebaut werden. Dem stände allenfalls eine zusätzliche Fördermenge von 2 Prozent aus den fraglichen Öllagerstätten gegenüber. Das wiederum würde sich weder bei den aktuellen, noch bei den bis zum Jahre 2020 zu erwartenden Ölpreis rechnen.

"Ich bin enttäuscht", sagte Norwegens Öl- und Energieminister Odd Roger Enoksen und machte kein Hehl daraus, dass er auf ein anderes Resultat gehofft hatte. Denn damit geht auch seine Kalkulation für den Bau eines Prototyps für ein Gaskraftwerk im mittelnorwegischen Tjeldbergodden nicht mehr auf, in dem die teure und energieaufwendige Abtrennung von Kohlendioxid grosstechnisch getestet werden sollte. In die Rechnung war sogar ein regelrechter Verkauf des abgetrennten CO2 als "Wertstoff" für die Ölindustrie eingegangen. Nun wollen die Ölkonzerne dieses Gas nicht einmal geschenkt haben.

Auch die Organisation Bellona hatte die CO2-Deponierung zumindest als "Übergangslösung bis zu einer effektiveren Lösung des Klimagasproblems" befürwortet - als einziger namhafter Verband von Umweltschützern, was ihr in der Öko-Branche heftiger Kritik eingebracht hatte. Sie will die Idee noch nicht aufgeben.

Zwar habe sich der Wunsch, CO2 aus einem Problemgas zu einem Wertstoff umzuwandeln wohl als illusorisch erwiesen, gesteht CO2-Experte Aage Stangeland. Aber es bleibe die Möglichkeit, das Treibhausgas trotzdem in leere Kavernen unter dem Meeresboden zu bringen und so zu entsorgen.

Ohne das Versprechen auf kommerziellen Erfolg wird sich allerdings kein Investor finden, der sich ohne kräftige staatliche Subventionen auf den Bau eines derartigen Kraftwerks einlassen würde. Welche Konsequenzen Oslo aus dem Rückschlags zieht, ist noch unklar. Die rot-grüne Regierung von Jens Stoltenberg hatte die CO2-Deponierung zu einem zentralen Puzzleteil ihrer Klimapolitik gemacht. Der Ministerpräsident bezeichnete die Herausforderung, mit dieser Technik Erfolg zu haben, in seiner letzten Neujahrsansprache als "Norwegens Mondlandungsprojekt".

Erst in der letzten Woche war die Meeresumweltkonvention für den Nordatlantik (OSPAR) bei einer Tagung im belgischen Ostende auf norwegische Initiative hin dahingehend geändert worden, dass die bislang verbotene CO2-Deponierung nun grundsätzlich möglich ist. Bedingung: Es darf kein Risiko für die Meeresumwelt entstehen.

Doch auch darüber gehen die Meinungen - und Erfahrungen - auseinander. Beim bisher einzigen umfassenden Versuch einer CO2-Lagerung in leeren Ölkavernen im Golf von Texas hat sich herausgestellt, dass das saure CO2 die Wände der unterirdischen Reservoirs schon nach wenigen Jahren angreift und porös werden lässt.

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