Kommentar: Biolehrer, seid wachsam!

Die Kreationisten, Vertreter einer Schöpfung der Welt durch Gott, sind auf dem Vormarsch. Auch CDU-Politikerin Karin Wolff sähe gern die Bibel in der Biologie-Stunde.

Der Kreationismus, das pseudowissenschaftlich aufgepeppte Bibelmärchen einer Schöpfung der Welt durch Gott in sieben Tagen, gewinnt an Boden im öffentlichen Raum und in der Bildung. Das ist in den USA seit Jahrzehnten so, erst seit kurzem nimmt dort der Widerstand dagegen nennenswert zu. Nun ist dieser Kulturkampf, etwas gedämpft, auch in Europa angekommen: Eine hessische Kulturministerin erklärt, mit den Kreationisten zwar "nichts am Hut" zu haben. Aber in einem "modernen Biologieunterricht" sollte die biblische Lehre dann schon Raum eingeräumt bekommen.

Der Vorstoß der CDU-Politikerin Karin Wolff ist zumindest für Deutschland ein Novum: Erstmals ist der Kampf zwischen Darwin und Gott in der weiteren politischen Elite des Landes gelandet. Dazu passt, dass jüngst in Trier ein Wissenschaftler-Kongress über den Einfluss des Kreationismus auf das deutsche Bildungssystem diskutierte und der Europarat einen sehr Kreationismus-kritischen Bericht ihres Bildungsausschusses erst einmal nicht diskutieren wollte. Ist Europas Aufklärung in Gefahr? Wird es hierzulande bald christlich-fundamentalistisch ausgebildete Jugendliche geben, die die biblische Schöpfungslehre wörtlich nehmen und Darwins Evolutionslehre nicht einmal kennen? Droht eine Ende der Säkularisierung auf dem alten Kontinent, sind wir also nun endgültig in der "postsäkularen" Ära angekommen, wie Habermas schon vor Jahren mutmaßte?

Gelassenheit ist angebracht. Nach so viel publizistischer und politischer Prügel, wie Karin Wolff sie für ihren Vorstoß erhielt, dürfte so schnell niemand mehr in der politischen Klasse Kreationisten den Weg bereiten. Dass Religion seit ein paar Jahren wieder sichtbarer im öffentlichen Diskurs Europas wird, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch in der Politik an Einfluss gewinnen wird oder gar das Ende der Aufklärung droht. Die Aufklärer in der Gesellschaft aber müssen sich wohl zukünftig etwas mehr anstrengen, um die Köpfe (und Herzen) der Menschen zu gewinnen. Das ist aber nicht tragisch. Aufklärung war und ist ein Prozess, kein Zustand.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.