Niger: Tuareg-Revolte weitet sich aus

Nigers Regierung bittet Libyen und Sudan um Beistand. Unter der Kriegssituation in Nigers Wüstengebieten leidet vor allem die Zivilbevölkerung

In der Sahara Nigers: Tuaregs beobachten einen Regierungssoldaten Bild: dpa

BERLIN taz Die Regierungen der afrikanischen Sahelzone sind in Alarmstimmung, nachdem die bislang auf den Nordwesten Nigers beschränkte Rebellion militanter Angehöriger der Tuareg-Nomaden sich offenbar ausgeweitet hat. In den Wüstenregionen im Nordosten des Nachbarlandes Mali griffen Rebellen am Sonntag und Montag zweimal Kolonnen von Sicherheitskräften an, nahmen 15 Soldaten als Geiseln und erbeuteten mehrere Fahrzeuge. "Alle Kräfte der ersten Militärregion, Gao und Kidal, sind mobilisiert", schrieb gestern Malis Tageszeitung LEssor.

Erst am Mittwoch letzter Woche hatten die Regierungen Malis und Nigers das gegenseitige Recht auf Verfolgung von Rebellen über die Landesgrenze sowie gemeinsame Grenzpatrouillen vereinbart. Außerdem forderte Mali einen regionalen Sicherheitsgipfel. Die Vereinbarung folgte der Ankündigung eines hochrangigen Tuareg-Politikers in Mali, wonach radikale Tuareg-Gruppen der beiden Länder ein Bündnis geschlossen hätten.

In Mali sind derzeit 350 Militärs aus ganz Nordwestafrika mit Nato-Vertretern zu einer Anti-Terror-Übung namens "Flintlock 2007" vereint. Die malische Region Kidal nahe der Grenze zu Algerien gilt als Rückzugsregion für militante Islamisten. In Niger kämpft seit rund einem halben Jahr die Tuareg-Rebellenbewegung MNJ (Nigrische Bewegung für Gerechtigkeit) gegen die Regierung, vor allem in den Wüstenregionen des Landes, wo sich Uranminen befinden. Die Rebellen haben der Armee mehrmals empfindliche Verluste zugefügt.

Ein kurzer Aufstand von Tuareg-Soldaten in Kidali in Mali vor einem Jahr war relativ rasch durch politische Verhandlungen unter Vermittlung Algeriens geschlichtet worden. Ähnliche politische Bemühungen in Niger sind derzeit nicht zu erkennen, abgesehen von einer Neuverhandlung der Verträge über die Uranförderung des französisch-deutschen Konzerns Areva in Niger, was einer Forderung der Rebellen entsprach. Vielmehr eskaliert die Lage weiter: Am vergangenen Wochenende verhängte die Regierung für drei Monate den Notstand über die Region. Dies bedeutet die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung. Für Nomaden mit ihren Herden stellt das jetzt, kurz vor dem Ende der Regenzeit, ein großes Problem dar.

Nach einem Bericht des deutschen Friedensnetzwerks "Eirene" steht der Norden Nigers vor einer humanitären Katastrophe. "Die Menschen sind verunsichert, können sich nicht frei bewegen und stehen zudem noch unter Generalverdacht", schrieb Eirene-Mitarbeiterin Uta Bracken ihrer Organisation über die Lage. "Tuareg werden willkürlich verhaftet. Kaum jemand kann sich noch Grundnahrungsmittel leisten: Der Preis für ein Kilogramm Reis ist von 45 Cent auf 4,50 Euro gestiegen. Die Waren kommen vor allem aus Algerien oder Nigeria, über Straßen also, die von Rebellen oder Militärs vermint worden sind." Die Stadt Iférouane sei seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten.

Während Appelle für einen Dialog auf taube Ohren stoßen, sucht Nigers Regierung militärischen Beistand in Libyen und Sudan. Premierminister Seyni Oumarou besuchte letzte Woche die beiden Länder und bat Libyen um Druck auf die Tuareg-Rebellen - die letzte große Tuareg-Rebellion in Mali und Niger Anfang der 90er-Jahre war von Libyen militärisch unterstützt worden - und Sudan um Waffen. "Militärhilfe aus Khartum wäre willkommen, vor allem wenn man weiß, dass Sudan Teil der chinesische Achse ist", schrieb die Zeitung LEnqueteur. "Seit einiger Zeit spricht man von der bevorstehenden Lieferungen großer Mengen chinesischer Waffen. Was China offiziell ungern gibt, wird Niger im Sudan bekommen." Chinesische Bergbaufirmen sind in der Vergangenheit Angriffsziele der MNJ-Rebellen gewesen.

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