Die Mühen des Anfangs

Zum Völkermord an türkischen Armeniern verlief die bundesweit erste gemeinsame Podiumsdiskussion in Bremen weitgehend friedlich. Aber sie zeigte, welche Verständigungsarbeit noch geleistet werden muss

Bremen taz ■ „Einen ersten Schritt“, nannte Bürgermeister Henning Scherf die Podiumsdiskussion im Konsul-Hackfeld Haus. Unter dem Titel „Was widerfuhr den Armeniern um 1915?“, hatten türkische Moscheen, die islamische Föderation Bremen und diverse Vereine am Donnerstagabend eine Diskussion mit Vertretern beider Seiten organisiert, Türken und Armeniern. Es war bundesweit die erste.

Der Abend markierte einen Neubeginn. Aber er zeigte auch, wie lang die Strecke zur Verständigung noch ist. Das machte schon die unter anderem von der islamistischen „Milli Görüs“ konzipierte Ausstellung im Erdgeschoss deutlich, die die Veranstalter des Abends organisiert hatten: Dort waren Leichenfotos ausgestellt, um vermeintlich armenische Massaker an Türken dazustellen.

Der Saal selbst war mit rund 500 überwiegend türkischstämmigen Personen vollbesetzt, eine Taschenkontrolle am Eingang und zahlreiche Ordner zeugten von Bedenken. Doch es blieb weitgehend friedlich.

„Es ist die Aufgabe jeden Landes, Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Die Türkische Republik hat das immer getan“, leitete die türkische Generalkonsulin Birgen Kesoglu gleichermaßen allgemein und beschönigend ein. „Über eine Million Menschen hat den Tod gefunden“, sagte hingegen Bürgermeister Henning Scherf. Er betonte, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte für Nachkriegsdeutschland Bedingung für die Aufnahme in die Völkergemeinschaft war. „Sie sagen, man müsse verhindern, dass Emotionen hochkochen“, wandte er sich an Kesoglu. „Ich sage, man muss verhindern, dass nationalistische Gefühle hochkochen.“

Auf dem Podium jedoch ging es von türkischer Seite polemisch zur Sache. Der Dolmetscher Sahin Ali Söylemezoglu aus Duisburg und der türkische Dozent Mustafa Çolak bestritten vehement, dass es einen Völkermord an der armenischen Minderheit überhaupt gegeben habe. Dabei argumentierten sie oft wenig seriös. Çolak machte christliche Missionare verantwortlich für Falsch-Informationen über den „angeblichen Völkermord“. Söylemezoglu legte nahe, dass mangelhafte Arbeit des Informationsdienstes des Bundestages für die kürzlich verabschiedete Resolution zum Gedenken an die Massaker an Armeniern verantwortlich sei. „Andere Nationen mögen ein Problem mit ihrer Geschichte haben. Wir haben es nicht“, sagte er unter Beifall.

Immerhin kamen auch diejenigen, die die andere Seite vertraten, zu Wort. Sie erhielten zumindest höflichen Beifall. Otto Luchterhandt, Staatsrechtler von der Universität Hamburg betonte, dass das Thema „in der Türkei auf einem anderen Niveau als hier diskutiert“ werde. Es bestehe kein Zweifel, dass es sich um einen Völkermord handele. „Das Kapitel muss nicht von Historikern aufgearbeitet werden“ – wie von der türkischen Regierung gefordert. Die Frage sei aber, warum sich die heutige Türkische Republik noch immer mit der Politik des Osmanischen Reiches identifiziere. Auch der armenische Publizist Raffi Kantian betonte, dass es in der Türkei Historiker gebe, die sich differenziert zum Thema äußerten.

Am Rande der Veranstaltung kam es zum Eklat, als einer der Veranstalter den Büchertisch des Verlegers Klaus Donat umwarf. Donat hatte – mit der Erlaubnis eines Mitarbeiters des Hauses, aber ohne Absprache mit den Veranstaltern – Bücher zum Völkermord an den Armeniern ausgelegt. Er und zwei weitere Personen erstatteten Anzeige wegen Nötigung und Körperverletzung. Am Samstag wollen einige der Veranstalter der Diskussion gegen das kürzlich aufgestellte Mahnmal für die ermordeten Armenier demonstrieren. grä