Rettungskampagne si!

Nein, keine Panik: nicht für die taz. Sondern für Italiens „Il manifesto“. Das linke Traditionsblatt leidet trotz des Einheitslohns unter enormen Altschulden, steigenden Kosten und stagnierender Auflage

AUS ROM MICHAEL BRAUN

„Mit euch ist es wie mit der Freiheit. Bei der merkt man auch erst, wie wichtig sie ist, wenn es sie nicht mehr gibt.“ Briefe wie diesen kann man dieser Tage reichlich in Il Manifesto lesen. Briefe von treuen Leserinnen und Lesern, Briefe aber auch von Leuten, die dem „quotidiano comunista“, der kommunistischen Tageszeitung, eigentlich nicht besonders nahe stehen.

Am Freitag etwa hatte der christdemokratische ehemalige Regierungschef Giulio Andreotti geschrieben, um dem linken Blatt zu bescheinigen, es habe ja meist Ansichten, die er nicht teilen könne, „aber ich habe mich nie gelangweilt“. Und solidarisch griff dann am Samstag auch Adriano Celentano zur Feder, ärgerte sich in einem langen Beitrag über die kurzsichtigen Werbe-Fuzzis, die kaum Anzeigen schalten: „Was juckt es dich, wenn unter dem Titel Manifesto noch das Wörtchen comunista steht?“

So viel Liebe kann der Manifesto dringend brauchen: 35 Jahre nach seiner Gründung steht der Zeitung das Wasser bis zum Hals. Dabei hat das Blatt auch heute kein Imageproblem: Weiter wird es quer durch die politischen Lager als ebenso politisch klar positioniertes (nämlich linksaußen) wie intelligentes Produkt geschätzt. Klare Ansichten, aber keine „Linie“ – das ist das Markenzeichen der Zeitung, die mit der Entführung ihrer Irakkorrespondentin Giuliana Sgrena in letzten Jahr weltweit in den Blickpunkt rückte.

Für die Leser kam deshalb die Hiobsbotschaft am 22. Juni aus heiterem Himmel. Da titelte Il Manifesto, gewohnt nüchtern „Wir haben ein Problem“. Und zwar ein ziemlich heftiges Problem: Die Redaktion teilte mit, dass womöglich schon im Lauf des Sommers die Pleite droht.

Nichts hilft es dem Blatt, dass seit diversen Jahren schon der laufende Haushalt ausgeglichen ist. Denn es ist der Berg der über die Jahre angehäuften Altschulden in Millionenhöhe, der den Manifesto wieder einmal zu erdrücken droht.

Wenig braucht es da, sagt Loris Campetti, seit 1978 in der Manifesto-Redaktion dabei, um die Zeitung ins Schlingern zu bringen: „Wir sind natürlich chronisch unterkapitalisiert, und unsere Werbeeinnahmen machen nicht einmal 10 Prozent – statt der sonst bei den anderen Tageszeitungen üblichen 50 Prozent – aus.“ Letztes Jahr sind zudem die Papier- und die Vertriebskosten um 15 Prozent gestiegen, während die Verkaufszahlen stagnierten.

Da hilft es nichts, dass in der Manifesto-Genossenschaft alle, vom Chefredakteur zur Technik und den Sekretariaten, für das Einheitsgehalt von 1.200 Euro netto schaffen: Ohne eine rasche umfassende Sanierung der Finanzen droht das Aus.

Als Erste merkten das die beim Manifesto Beschäftigten selbst. Seit Februar haben sie keine Lohnzahlung mehr gesehen. Fünf Millionen Euro Einsparbedarf bis Jahresende ist die Marge, die der Zeitung das Überleben sichern würde.

Als Sofortziel ihrer Rettungskampagne hat die Zeitung sich das Ziel gesetzt, bis Ende September 1,5 Millionen Euro einzusammeln. 20.000 Euro steuerte die Sängerin Loredana Berté bei, 25.000 Euro kamen von der Rifondazione Comunista, der aus der PCI-Spaltung 1991 hervorgegangenen „Partei der kommunistischen Wiedergründung“. Loris Campetti freut sich über den Beitrag, schiebt aber gleich nach: „Da kann man sehen, dass wir es mit unsrer Unabhängigkeit auch in einer so schwierigen Situation ernst meinen – am Tag, nachdem die Spende von Rifondazione Comunista eingegangen war, hatten wir einen Kommentar im Blatt, der kein gutes Haar an der Partei ließ wegen ihrem Herumgeeiere in der Prodi-Koalition.“

Gerade deshalb lieben die Manifesto-Leser ihr Blatt, in dessen Redaktion Rifondazione-Wähler genauso wie Anhänger des linken Flügels der Linksdemokraten oder der zweiten Kommunistischen Partei – der Comunisti Italiani – schreiben.

Die Bestellung neuer Abos, der Eingang von Spenden, die Nachfrage nach der letzten Donnerstagsausgabe, die fünf Euro kostete, jedenfalls sind überwältigend: Nach drei Wochen hat die Zeitung mit exakt 779.188 Euro schon gut die Hälfte des für September anvisierten Betrags eingefahren.

Jetzt steht erst mal die Auszahlung der Februar-Gehälter an. „Wir wollen eigentlich um jeden Preis eine Lösung wie bei Libération vermeiden“, meint Loris Campetti mit Blick nach Frankreich, wo jetzt ein Rothschild regiert (taz vom 15. 6.): „Wir kämen gern ohne externen Investor aus, aber wenn man seit Monaten kein Geld gesehen hat, ist man für solche Sirenengesänge natürlich anfällig.“ Aber gerade die jetzt laufende Rettungskampagne mit ihrer fantastischen Resonanz, so Campetti, bestätige das Manifesto-Kollektiv im Willen, so weiterzumachen wie bisher – frei und ohne Chefs.

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