Kirche kämpft für Konsum

Die Hedwigsgemeinde am Bebelplatz will unbedingt für einen Elektronikhersteller werben dürfen. Dafür nimmt sie sogar Ärger mit Denkmalschützern und Senat in Kauf

Für alle, die sich über das gewaltige Werbeplakat des Elektronikherstellers Apple wundern, steht auf dem Seitenstreifen zur Erklärung: „Dieses Riesenposter hilft, die notwendige Sanierung der St.-Hedwigs-Kathedrale zu finanzieren.“ Seit vergangenem Samstag wirbt das Plakat für das mobile Musikabspielgerät iPod – ohne behördliche Genehmigung. Dafür mit dem Segen der Katholischen Hedwigsgemeinde.

Denn bislang hat die Untere Denkmalschutzbehörde in Mitte keine Genehmigung für das Banner gegeben. Ende März beantragte die Potsdamer Außenwerbefirma AF-FIX bei der Stadtentwicklungsverwaltung von Mitte die Erlaubnis, das Riesenplakat anzubringen. Die Vermietung der Fläche vor dem Kircheneingang auf dem Bebelplatz soll der Kirchengemeinde 400.000 Euro einbringen. Insgesamt sind für die Sanierung der St.-Hedwigs-Kathedrale 1,1 Millionen Euro veranschlagt. Weil die Denkmalschützer bis zum vergangenen Freitag nicht über eine Genehmigung entschieden, haben Kirche und Werbefirma am Samstag Fakten geschaffen.

AF-FIX-Geschäftsführer Jörg Reinich sieht die Sache pragmatisch: „Wir haben einen Rechtsanspruch auf Genehmigung.“ Seit September 2005 sei laut Denkmalschutzgesetz vorübergehende Werbung an Baugerüsten grundsätzlich zusätzlich. Kurz: Solange Reklametafeln nicht verboten werden, sind sie erlaubt.

Kirche und Werbefirma sind in die Offensive gegangen, um Geld zu sparen. Nach eigenen Angaben haben die Verzögerungen bereits 50.000 Euro an Werbeeinnahmen gekostet. In einem Brief vom vergangenen Freitag drohen AF-FIX und ihr Partner, die Vertriebsgesellschaft Limes, offen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Die „erheblichen Vermögensschäden“ müsse das Land begleichen.

In diesem Brief beschuldigen AF-FIX und Limes die Senatsverwaltung, sie wolle die Werbeplane durch vorgeschobene Prüfungen boykottieren: Die Behörde wolle den „klaren Willen des Gesetzgebers nachträglich auf exekutiver Ebene“ beeinflussen.

Bei der Denkmalschutzbehörde Mitte war gestern niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Laut Medienberichten hat sich Senatsbaudirektorin Regula Löscher eingeschaltet. Sie habe Bedenken, weil am Bebelplatz bereits ein Gebäude der Humboldt-Universität durch Werbung verdeckt wird. Auch gebe es Pläne, die benachbarte Staatsoper und die Alte Bibliothek für Reklamezwecke zu verhüllen.

Für den Fall, dass die Genehmigung für das Apple-Plakat weiter ausbleibt, hat Werbefachmann Reinich einen unerwartet uneigennützigen Vorschlag: „Dann kann der Senat die Sanierung gern selbst bezahlen.“

MATTHIAS LOHRE