Privatisierer wird verstaatlicht

Der umstrittene Mülheimer Ex-Oberbürgermeister Jens Baganz wird Staatssekretär. Landeschef Rüttgers überrascht mit der zweiten Reihe seines Regierungsteams. Sogar eine SPDlerin ist dabei

VON KLAUS JANSEN

Jürgen Rüttgers verblüfft bei der Nominierung seiner StaatssekretärInnen. Der CDU-Ministerpräsident hat nicht nur die SPD-Politikerin Angelika Marienfeld zur Staatssekreträrin im Finanzministerium ernannt – sondern auch einem skandalumwitterten früheren Oberbürgermeister zu einem politischen Comeback verholfen. Der vor zwei Jahren zurückgetretene Mülheimer Rathauschef Jens Baganz (CDU) soll die Nummer Zwei im Wirtschaftsministerium seiner Parteifreundin Christa Thoben werden.

Die Nominierung von Baganz ist umstritten. Grund dafür ist seine Amtszeit in Mülheim. Nach einer Karriere bei der Stinnes AG und der E.ON-Vorgängerfirma VEBA war Baganz im Jahr 1999 als Rathauschef der Ruhrgebietsstadt angetreten. Schnell machte er sich einen Ruf als harter Privatisierer: Die Müllentsorgung ging in Teilen an den Multiunternehmer Hellmuth Trienekens, städtische Anteile an der Wassergesellschaft RWW wurden für 118 Millionen Euro an die RWE Aqua verkauft – auf Drängen des RWE Power-Aufsichtsrats Baganz.

Der Rücktritt als Oberbürgermeister erfolgte im November 2002 – „aus privaten Gründen“. Doch die Gründe waren nur zum Teil privat: Baganz lebte mit der deutschlandweit renommierten Vergaberechtsexpertin Ute Jasper zusammen, die die Stadt Mülheim für ein angeblich sechsstelliges Honorar bei den entscheidenden Privatisierungen beraten hatte. Juristische Ermittlungen blieben zwar aus – das Wort „Baganzgate“ war dennoch in der Welt.

„Nur durch den Rücktritt hat Baganz Ermittlungen verhindern können“, sagt der Kölner Korruptionsforscher Werner Rügemer. Das Vorstandsmitglied des Vereins „Business Crime Control“ ist überzeugt, dass der Stadt durch die „höchst dubiosen Verfahren“ unter Baganz Schaden entstanden ist. Hinzu kämen Gebührenerhöhungen für die Verbraucher. „Baganz war der klassische Vertreter der New Economy-Generation, nach seinem Rücktritt war er ein abgestürzter Typ“, sagt Rügemer.

Dass Baganz nun unter Rüttgers sein Comeback feiern darf, ist auch für Lothar Reinhard, Ratsherr der Vereinigten Mülheimer Bürgerinitiativen, unverständlich. „Da bleibt einem die Spucke weg. Je mehr Mist man baut, desto höher wird man befördert“, sagt er.

Jürgen Rüttgers sieht das offensichtlich anders. „Baganz zeichnet sich durch eine lupenreine juristische Ausbildung und große Erfahrung in Wirtschaft und Politik aus“, so ein Sprecher der Staatskanzlei auf Anfrage. Seine Vergangenheit habe bei der Berufung zum Staatssekretär keine Rolle gespielt.

Und Baganz selbst? Für ihn ist die Mülheimer Zeit abgeschlossen: „Es hat gründlichste Untersuchungen gegeben, die herausgestellt haben, dass das damals eine rein private Angelegenheit war“, sagte er der taz. Mit einer Rückkehr in die Politik hatte er nicht mehr gerechnet: „Das Frau Thoben mich angerufen hat, hat mich schon überrascht.“ In den vergangenen beiden Jahren hatte er als Unternehmensberater gearbeitet.

Im Kabinett Rüttgers will sich Baganz nun dafür einsetzen, dass „NRW sich wirtschaftlich innerhalb der Bundesrepublik wieder besser positioniert“. Auch auf Landesebene soll er Privatisierungen forcieren: Erster Kandidat könnten die landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaften sein, die seiner Meinung nach „ineffizient arbeiten“.

Ähnlich klar definiert wie der Job des Privatisierers Baganz sind auch die Aufgabengebiete der anderen von Rüttgers berufenen Staatssekretäre. Der FDP-Politiker Karl Peter Brendel soll seinem Parteichef Ingo Wolf beim Bürokratieabbau zur Seite stehen, der frühere Aachener Uni-Kanzler Michael Stückradt soll im Innovationsministerium den Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft beschleunigen helfen.

Größte Überraschung in der Riege der StaatssekretärInnen ist jedoch Angelika Marienfeld. Die frühere Chefin der Staatskanzlei und enge Vertraute des abgewählten Regierungschefs Peer Steinbrück (SPD) kehrt ins Finanzministerium zurück, wo sie ihre Beamtenkarriere begann. „Ich freue mich“, teilte die Sozialdemokratin knapp mit.