Gewinne ohne Grenzen

Mit „Cross-Border-Leasing“ versucht der Senat, Geld zu sparen. Er hat Messehallen an US-Firmen erst ver- und dann wieder zurückgemietet. Diese Geschäfte sind undurchsichtig und bergen große Risiken

von SEBASTIAN HEISER

Auch so kann man Geld für den Haushalt auftreiben: Berlin vermietet die Messehallen 1–6 über 99 Jahre für mehrere hundert Millionen Euro an eine Firma in den USA und mietet sie direkt wieder zurück. Die anonymen Kapitalgeber der Firma brauchen so weniger Steuern an den amerikanischen Fiskus zu zahlen. Wegen der freundlichen Mithilfe des Senats wird dieser mit 34 Millionen Euro am Gewinn beteiligt. Die Risiken bei diesem „Cross-Border-Leasing“ sind groß. Der englische Vertragstext umfasst über tausend Seiten und ist laut dem haushaltspolitischen Sprecher der Grünen, Oliver Schruoffeneger, „für normale Parlamentarier nicht zu durchschauen“. Jetzt hat der Senat auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Michael Cramer die so vermieteten Objekte genannt: Neben den Messehallen gehören dazu 511 Straßenbahnen und 427 U-Bahn-Wagen der BVG.

So funktioniert das Geschäft: Für die Messehallen hat das Land bei Vertragsabschluss nach taz-Schätzungen 680 Millionen Euro bekommen. Der Vertrag läuft über 99 Jahre, kann aber nach 29 Jahren von der Stadt mit allen Rechten und Pflichten gekündigt werden. Die US-Firma vermietet die Messe direkt zurück an die Stadt. Zu Vertragsbeginn gibt die Stadt einer Bank 646 Millionen Euro, die damit die Miete an die US-Firma zahlt. Berlin bekommt also 34 Millionen Euro mehr, als es ausgibt – und kann diesen Gewinn im Haushalt verbuchen. Die landeseigene Messe GmbH betreibt die Messe wie gehabt.

In den USA gilt die Firma wegen der langen Mietdauer als Eigentümerin der Hallen. Sie kann so die 680 Millionen Euro als Kosten abschreiben und von ihrem Gewinn abziehen. Und weniger Gewinn heißt, in den USA weniger Steuern zahlen zu müssen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass US-Firmen bei solchen Geschäften über die Laufzeit des Vertrages eine Steuerersparnis von 20 bis 35 Prozent haben. Von diesem Geld gehen in aller Regel rund 5 Prozent des Gesamtbetrages – im Fall Messehallen besagte 34 Millionen Euro – an die Stadt, den Rest teilen sich die anonymen amerikanischen Geldgeber mit den beteiligten Banken.

Der Senat verheimlicht jedoch den genauen Umfang: Die 680 Millionen Euro Miete und die 646 Millionen Rückmiete sind Schätzungen der taz, die sich aus den vorliegenden Zahlen grob berechnen lassen. Die anderen Zahlen sind offizielle Senatszahlen. Aber wer ist der Investor? Wie viel Miete muss Berlin zahlen? Die Senatsverwaltung für Finanzen mauert „aus Vertraulichkeitsgründen“. Laut Stefan Zackenfels, SPD-Abgeordneter, könnte das auch daran liegen, dass das von seinem Parteikollegen Tilo Sarrazin geleitete Ressort „überfordert ist, die ganze Tragweite und die rechtlichen Verästelungen zu durchdringen“. Oder ist dem Senat das Geschäft unangenehm?

Denn die Nachteile des Cross-Border-Leasings sind erheblich. Auch wenn es in 25 Jahren keine Messen im heutigen Stil mehr gibt, müssten die Messehallen weiter erhalten werden. Wenn die Bank in Konkurs geht, die die Mietzahlungen übernimmt, muss das Land einspringen. Und was passiert, wenn die US-Firma Pleite geht?

Auch die BVG, die laut Senatsliste U-Bahn-Wagen und Straßenbahnen Cross-Border-verleast hat, hält sich bei diesem Thema bedeckt. Nicht mal zum Gewinn aus dem Geschäft will sich die Pressestelle äußern. Was, wenn das BVG-Monopol ausläuft und die Betriebe ab 2008 nicht den Zuschlag für den U-Bahn-Verkehr bekommen? Muss dann die BVG Bahnen unterhalten, die nicht mehr fahren? Auch dazu schweigt die BVG.

Die Berliner PDS forderte Ende 2001, das U-Bahn-Netz hin- und herzumieten. Noch im Februar überlegte Kultursenator Thomas Flierl (PDS), durch so ein Geschäft mit der Staatsoper Geld für die Sanierung des Hauses zu bekommen. Das scheiterte laut seiner Sprecherin nur daran, dass die Staatsoper nicht den Mindestwert hat, ab dem sich das lohnt. Dennoch sehe die PDS im Cross-Border-Leasing „nicht das Konzept zur Lösung aller Probleme“, so der wirtschaftspolitische Sprecher im Abgeordnetenhaus, Benjamin Hoff, „sondern auch die damit verbundenen Risiken. Es kommt auf den Einzelfall an.“

Die SPD hat die bisherigen Geschäfte mitgetragen, will Cross-Border-Leasing laut Fraktionschef Michael Müller aber nicht ausweiten. Der Berliner Bund der Steuerzahler lehnt die zusätzlichen Einnahmen ab. Der Vorsitzende Günter Brinker: „Diese Geschäfte bringen nur kurzfristig Einnahmen für das Land, sind aber eine Hypothek für die Zukunft.“ Nur die Berliner CDU-Fraktion schlägt Einnahmen von gleich 50 Millionen Euro jährlich aus Cross-Border-Leasing vor. Dazu müssten jedes Jahr Verträge über rund 1 Milliarde Euro mit Teilen aus dem „gesamten Anlagevermögen inklusive Straßen oder dem BVG-Schienennetz“ abgeschlossen werden.“