bücher für randgruppen
: Worauf Bienenforscher und Insekten alles abfahren

Die Hummelbumsblume

Gib mir Honig!

Joseph Beuys

Honigbienen haben ein breites Publikum, weiß die Einführung dieses schwergewichtigen Standardwerkes zur Naturgeschichte der Honigbiene. Es seien nicht etwa nur die Bienenzüchter aller Länder, nein, auch biologisch interessierte Laien entdeckten ständig neue Überraschungen im Mikrokosmos Bienenvolk.

Ob das Interesse an der Biene durch Joseph Beuys’ Honig- und Fettpumpe auf seiner documenta-Installation geweckt wurde oder durch die Berührung des Gaumens mit köstlichem neapolitanischem Zitronenhonig, spielt keine Rolle. Imker wie Wissenschaftler haben jedenfalls ihre eigene Fachsprache. Dem Bienenfreund und Biologen Friedrich Ruttner ist es ein Anliegen, diese mit seinem Werk auch dem Laien zu vermitteln. Es sei wichtig, so betont er, dass alle drei Gruppen voneinander wüssten, neue Kenntnisse austauschten – oder neugierige Fragen stellten. Ja, der ehemalige Leiter des Instituts für Bienenkunde hat von der Arbeitsteilung, den sozialen Strukturen, dem Miteinander des Bienenvolks eine wichtige Lektion gelernt. Praxis und Wissenschaft erfreuen sich hier eines austauschenden Miteinanders. Sie befruchten sich gegenseitig.

Wie alle Spezialisten idealisiert er natürlich ein wenig das Objekt seiner Begierden: „Die Biene plündert weder die Natur, sie frisst keine Pflanze, sie tötet kein Tier.“ Das klingt natürlich sehr schön, wie eine Utopie für enttäuschte Veganer, aber auch ein Bienenfreund wie Friedrich Ruttner sollte nicht verheimlichen, dass die Biene gegebenenfalls böse stechen kann. Das tut weh, selbst wenn es in verteidigender Absicht geschieht.

Außerdem kann sich eine Biene ja auch mal irren. Im Alter von sechs Jahren erhielt ich beispielsweise einen ersten Bienenstich, obwohl ich das Tier seinerzeit gar nicht bedrohte. Missverständnisse, wie wir sie aus dem Umgang mit unseren Mitmenschen kennen.

Dass schon die Ägypter der Pharaonenzeit die Imkerei kannten, mag den Leser nicht verwundern, aber wer weiß schon, dass in Europa vier allgemein bekannte Bienenarten für die Honigproduktion existieren? Abschweifungen in die Kulturgeschichte der Bienendarstellung finden sich in der Wiedergabe des berühmten Goldschmucks von Mallia (1600 v. Chr.), auf der zwei Bienen mit ihren Beinen eine Wabe halten. Interessant, zu wissen, dass auch die molligen Hummeln zur Familie der Bienen gehören.

Das ausgiebig und ansprechend bebilderte Bienenwerk bestätigt auf vielseitige Weise das ungeheure Spezialistentum der summenden Bestäubungstiere. Es ist tatsächlich so ausgeklügelt, dass selbst die Sexspezialisten der Sendung „Wa(h)re Liebe“ völlig überfordert sind. So hatte mich einst der verzweifelt nach neuen Themen suchende Redakteur Martin Schacht um Vorschläge gebeten. Gummi, Leder, SM, Bondage, ja selbst das Gesäß in der Kulturgeschichte, alles sei schon x-mal durch, klagte er. Ich schlug neben dem Thema „Sex in Island“ (was wir dann auch gemeinsam realisierten) vor, einen Beitrag über die in Thüringen beheimatete Hummelragwurz zu drehen.

Diese in gemäßigten Breiten vorkommende Orchidee lockt mit Sexualduftstoffen männliche Hummeln an ihre Blüten. Und nicht nur das, sie imitiert mit den Blüten in täuschender Ähnlichkeit den Körper einer Hummel, haarig, förmlich und farblich. Das zwei Wochen vor dem Weibchen schlüpfende Männchen stürzt sich nun in sexueller Begierde auf die Attrappe und kopuliert mit ihr. Bis zu dreißig Sekunden währt das peinliche Schauspiel, bis das düpierte Hummelmännchen merkt, dass es einem Schwindel aufgesessen ist, und flugs die nächste Hummelragwurzblüte anfliegt, wo sich das elende Schauspiel wiederholt. Ein Fall für Valerie Solanas und die S.C.U.M. (Society For Cutting Up Men). Die clevere Orchidee indes kommt auf diese Weise zu ihrem Willen.

Jedenfalls war das Thema nicht nur zu speziell, sondern irgendwie auch zu pikant. Für die Sendung hätte die seltene Pflanze überdies ein menschliches Pendant bekommen müssen; doch ein Bekennender ist in diesem Fall nur äußerst schwer aufzutreiben. Genauso wie ein Talkgast mit einem Kopulationsorgan an der Ferse. Dieses weist nämlich die asiatische Honigbiene Dorsata auf. Das habe ich jetzt ganz nebenbei gelernt. WOLFGANG MÜLLER

Friedrich Ruttner: „Naturgeschichte der Honigbienen“. Ehrenwirth Verlag 1992, bei Franckh-Kosmos, 90 €