Wer wählte Hitler?

betr.: „Das kleinere Übel“, taz-Magazin vom 16. 11. 02

Die Bücher des langjährigen Schatzmeisters der NSDAP Franz Xaver Schwarz sind nie gefunden worden, was eine endgültige Aussage über die Finanzierung Hitlers unmöglich macht.

Was im Artikel fehlt: Mit Geld kaum aufzuwiegende Unterstützung erhielt die NSDAP 1929/30 durch den ehemaligen Krupp-Generaldirektor und Pressemogul Alfred Hugenberg, der die NSDAP mit in den „Organisationsausschuss gegen den Young-Plan“ aufnahm. Die bis dahin reichsweit noch weitgehend unbekannte NSDAP fand nun über die Hugenberg-Nachrichtenagenturen Zugang zu fast 1.600 deutschen Zeitungen. Ohne diese Unterstützung durch die Hugenberg-Presse ist der Wahlerfolg der NSDAP bei der Reichstagswahl vom September 1930 nicht zu erklären.

Der Kreis der Unterstützer Hitlers lässt sich für die wichtige frühe Phase der Partei in drei Gruppen einteilen: 1. Einzelpersonen aus der bürgerlichen Schickeria Münchens, 2. Reichswehr, Freikorps und Nachrichtendienste, 3. Unternehmer und Industrielle, wobei diese Gruppen aufgrund ihrer reaktionären politischen Einstellung eng miteinander verknüpft waren. Hitler selbst stand bis Ende März 1920 als V-Mann im Sold der Reichswehr (20 Reichsmark pro Woche), von der er auch direkte politische Schulungen erhielt (Universität München/Prof. Karl-Alexander von Müller). Hitlers Einnahmequellen waren der Sold der Reichswehr und seine Rednerhonorare. Ohne weitere finanzielle Förderer hätte er aber nicht politisch agieren können. Die Münchener Familien Bechstein (Klavierfabrikant) und Bruckmann (Verleger) sind die bekanntesten privaten Förderer. Sie führten Hitler auch in die höheren Gesellschaftskreise Münchens ein.

Die Finanzierung der NSDAP durch private Gönner, einige Unternehmer und illegale militärische Organisationen muss in dieser Zeit umfangreich gewesen sein, da sich die Partei 1922 bereits 22 Parteiangestellte leisten konnte. Großindustrielle Spender wie Kirdorf, Thyssen (finanzierte auch den Kauf und Umbau des Braunen Hauses in München), Schacht oder Wilhelm Zangen von Mannesmann (PG seit 1930) blieben die Ausnahme. Beachtliche Geldsummen aus dem Ausland sind mit Sicherheit von dem antisemitischen Henry Ford und vom Direktor der Royal Dutch Shell Company, Sir Henry Deterding, an die Nazipartei geflossen.

Der Autor konzentriert sich zu sehr auf die unmittelbare Zeit vor der „Machtergreifung“ und blendet entscheidende Phasen des Aufstiegs der Nazis (1919 bis 1923 und 1930/31) oder die wichtige Pressehilfe durch Hugenberg aus. Der Hinweis, dass es nicht das Großkapital oder die Wirtschaft war, ist nicht sonderlich originell. Gibt es denn die taz-Redaktion oder die taz-Leserschaft? Es ist vielmehr verwunderlich, dass es Hitler trotz Weltwirtschaftskrise, trotz Massenanhang, trotz finanzieller Unterstützung von Einzelpersonen aus der Großwirtschaft, trotz Unterstützung durch Teile der konservativen Presse, Justiz, Verwaltung und Militär fast nicht geschafft hätte, an die Macht zu kommen. INGO KÜBLER, Wesel