zwischen den rillen
: Überlebende des TürkHop: Aziza A. und Killa Hakan

Die Straßen von Kreuzberg

Wie ein Steckbrief wirkte der Aufkleber, der an vielen Ecken in Kreuzberg klebte, um das Album von Killa Hakan anzukündigen: Er zeigte ein unscharfes Bild des Rappers, mit Mütze und Sonnenbrille vermummt wie ein Einbrecher. Drei Monate ist das erst her, doch die Aufkleber sind längst wieder aus dem Straßenbild verschwunden. So rasch verblasst eben auch der Ruhm auf den Straßen von Kreuzberg.

Einst hätte es Killa Hakan beinahe zu richtiger Berühmtheit gebracht: Damals, Mitte der Neunzigerjahre, zählte er zu der HipHop-Viererbande Islamic Force, die bis heute als eigentliche Urzelle der Bewegung in Berlins Multikulti-Bezirk gilt. Doch über diesen Ruf kam das Quartett nie hinaus: Vielleicht lag es am frühen Größenwahn, gepaart mit jugendlicher Naivität, vielleicht auch an fehlender Unterstützung durch eine potente Plattenfirma, dass die Karriere nie so recht vom Fleck kam: Das einzige Album von Islamic Force, das erst 1997 erschien, vermochte den Leumund der Gruppe jedenfalls nicht über den der ewigen Talente hinauszubefördern.

Dennoch war die Gruppe schwer nachgefragt in den deutschen Medien, die damals den türkischen Rap als Stimme der multiethnischen Straße entdeckten; selbst der Spiegel befragte Killa Hakan damals zu Jugendkriminalität und Gang-Gewalt. Doch mit der Zeit erlosch das Interesse der Medien an den Pionieren der deutschtürkischen HipHop-Szene. Als Boe B., der eigentliche Motor der Gruppe, vor zwei Jahren überraschend an einer Überdosis starb, schien auch die Geschichte von Islamic Force an ihr Ende gekommen zu sein.

Dass Killa Hakan nun, nach dem Tod seines Freunds und Rap-Partners, ein eigenes Album vollendet hat, erscheint da schon fast wie der versöhnliche Ausgang einer ansonsten tragischen Geschichte – zumal „Cakallar“ auch noch um einiges geschliffener klingt als das meiste, was Islamic Force je auf Vinyl oder CD gepresst haben, dank opulenter Beats und einer Produktion, bei der viele Freunde und Helfer einmal im Studio vorbeigeschaut haben.

Trotzdem wirkt das Album ein wenig aus der Zeit gefallen, mit seinen Beschwörungen gestriger Ghetto-Romantik und seinem aggressiven Rap-Stil, der wie gebellt klingt. Näher allerdings dürfte man dem Genre des Gangsta-Rap hierzulande bislang nicht gekommen sein. Mitunter hallen die Beats wie Pistolenschüsse, und bedrohlich türmen sich die orientalischen Samples zu einer düsteren Ghetto-Sinfonie, die von Gefahr und Härte erzählt. In seinen grimmigen Lyrics zeichnet Killa Hakan auf „Cakallar“ (zu Deutsch: Schakale) das Bild jugendlicher Cliquen, die Wolfsrudeln gleich durch die Straßen streifen. Das mag das Lebensgefühl einer Generation spiegeln, die wie Killa Hakan aus den Jugendgangs der Achtzigerjahre in die Kleinkriminalität abgerutscht ist und keinen rechten Halt zu finden scheint. Aber wer will das hören? Zumal die gehetzten Raps das deutsche Publikum außen vor lassen und selbst Muttersprachler auf eine harte Probe stellen.

Auch Aziza A. hatte ihre ersten fünf Minuten Starruhm, als vor fünf Jahren ihr erstes Album „Es ist soweit“ erschien. Damals passte sie perfekt ins Klischee der aufmüpfigen Rapperin, die sich tapfer gegen die türkische Tradition stemmt, und das machte sie bekannt: Die Emma hievte sie vor Begeisterung sogar auf ihr Cover.

Heute hält sich Aziza A. vom Image der Botschafterin fern, um stärker als Musikerin wahrgenommen zu werden. Dafür hat sie sich auch ganz vom Betroffenheits-Holperreim verabschiedet und dem soulig-orientalischen Gesang zugewandt. Auf ihrem neuen, zweiten Album „Kendi Dünyam“ tauchen gelegentlich zwar noch Motive auf, die man noch vom Vorgänger kennt, doch insgesamt weht nun ein ganz anderer Wind, und die Sprache auf „Kendi Dünyam“ („Meine eigene Welt“) ist jetzt durchgängig Türkisch: Der Fokus liegt auf einem tanzbaren Groove, der sich lässig und funky gibt und für den ihre langjährige Begleitband bürgt. HipHop muss man das nicht mehr nennen, eher hat es sich zu einer Art orientalischem Club-Pop weiterentwickelt.

Veröffentlicht wurde „Kendi Dünyam“ zunächst in der Türkei, bevor es nun auch nach Deutschland lizenziert wurde. Das ist durchaus symptomatisch: Denn während es hierzulande still geworden ist um die einstigen Helden des TürkHop, hat sich in Istanbul und Ankara in den vergangenen Jahren eine HipHop-Szene herausgebildet, die sich auf die Vorbilder aus Deutschland bezieht. So findet eine Aziza A. dort heute mehr Gehör als hierzulande: Hier wird sie, wie ihr Kollege Killa Hakan, wohl weiter Außenseiter einer HipHop-Szene bleiben, die sich verstärkt über die deutsche Sprache definiert.

DANIEL BAX

Killa Hakan: „Cakallar“ (Vielklang), Aziza A.: „Kendi Dünyam“ (Double Moon/Blue Flame)