Der Fünf-Minuten-Vortrag

Die „Interkulturelle Kooperation für ein internationales Berlin“ (Ikib) will mehr erreichen als traditionelle Wirtschaftsförderung. Mit der Kommunikationstechnik des „open space“ wird Ideenfindung zum Lustprozess

Die Deutschen sind nun mal keine steppenden Bären, wenn es um Frohsinn geht. Wilson Campero meint, er habe in Deutschland oft versteinerte Mienen gesehen und dies auf sein Verhalten zurückgeführt. Irgendwann sei ihm jedoch eines klar geworden: „Bei den Wintern in Deutschland ist die Laune eben schlecht.“

Am Freitagabend trat der bolivianische Informatikstudent der Technischen Universität in der Heinrich-Böll-Stiftung als Gastredner der „Interkulturellen Kooperation für ein internationales Berlin“ (Ikib) auf. Nach nur fünf Minuten war sein Referat vorbei, ganz im Sinne der Veranstalter, die eine neuartige Kommunikatonsmethode, die „open-space-technology“, ausprobierten. Die IKIB, ein Folgeprojekt der 1998 an der TU ins Leben gerufenen Berlin-Studie, rekrutiert sich aus Vertetern der Berliner Hochschulen und gemeinnütziger Organisationen, die den Dialog mit der lokalen Wirtschaft suchen. Man will mehr sein als eine Jobvermittlung für BWL-Studenten, man bemüht sich um öffentliche Präsenz, progressive Redestrategien und eine lockere, hippieske Streitkultur, die viel mit Montessori und Summerhill, wenig jedoch mit dem üblichen Seminar- und Kongress-Prozedere zu tun hat.

Locker bleiben konnte man am Freitag, in kreisrund angeordneten Stuhlreihen, mit Motivationsschildern, auf denen „Es fängt an, wenn die Zeit reif ist“ oder „Die, die da sind, sind die Richtigen“ geschrieben stand – mit Kaffee, Keksen und belegten Brötchen. „Open space“ hat durchaus Eventcharakter, auch wenn die Veranstalter sich gegen den Spaßbegriff wehren. Entwickelt wurde die Methode in den 80er-Jahren von dem amerikanischen Arbeitspsychologen Harrison Owen. Der Berliner Organisationsentwickler Reinhard Frommann präsentiert die Methode nun in Deutschland. Sie will, so Frommann, die hierarchische Beziehung zwischen Redner und Publikum überwinden. Der Zuhörer darf seine passive Rolle aufgeben und selbst in das Geschehen eingreifen. Ziel ist die erhöhte kognitive Leistung, die durch eigenverantwortliches Handeln, Fantasie und Freude am Thema erreicht werden soll. Denken wird zum Lustprozess. Wichtig sei die Initiative der Teilnehmer, die ihre Fragen mit anderen diskutieren, Lösungsansätze finden und eventuell Projekte daraus entwickeln. Frommann spricht von „Herzblut“, das fließen muss, von der Empathie und der Kürze der Präsentation. Die konventionellen Vortragsmethoden hält der 56-Jährige für überholt. „Nach fünfundvierzig Minuten Rede ist die Energie der Zuhörer im Keller“, behauptet er, „da helfen auch Beamer und Flipcharts nichts.“

Ganz anders im „open space“: Nach vier Minireferaten zum Rahmenthema „Interkulturalität“ ist spontane Gruppenarbeit gefragt. Wer sich von einem Thema angezogen fühlt, soll zur Pinnwand streben, auf dass sich eine Gruppe bilde. Natürlich müsse man nicht, so Frommann, man kann auch erst einmal hinuntergehen zum Brötchenbüffet, eine Alternative, für die sich die Hälfte der Versammelten spontan entscheidet. Nach der Erfüllung der Grundbedürfnisse kommen tatsächlich vier Gruppen zusammen, reden über den Sinn von Sprichwörtern, über interkulturelle Kochbücher, über Interkulturelles Arbeiten an der Universität und darüber, was Interkulturalität überhaupt bedeutet. Viel Praxisbezug hat der erste „open space“-Abend nicht. Reinhard Frommann ist dennoch zufrieden. „Hier kommen verschiedene Leute zusammen“, meint er, „das ist doch schon mal was.“

JANA SITTNICK

Nächter Termin: 16. Mai, Infos im Netz: www.open-space-unlimited.de