Ein Bild von einer Frau

Eva Herman (45) ist Sprecherin der „Tagesschau“. Und schreibt. Und singt. Und hat sich mit Dieter Bohlen angelegt. Deshalb steht sie jetzt unter verschärfter Beobachtung des Bohlen-Blatts „Bild“

Herman macht es der „Bild“ nicht wirklich schwer. Mit ihren schillernden Auftritten bietet sie genügend Angriffsflächen

VON SUSANNE LANG

Sie warten, sie lauern. Die Schlagzeilenmacher beobachten jeden ihrer Schritte. Auch an diesem Freitag. Es ist kurz vor 23 Uhr. Die Spots richten sich auf die Bühne. Applaus. Die Gäste der NDR-Talkshow raunen sich noch Sätze zu, die die Mikrofone überhören. Jetzt gehören die Kameras der Showtreppe, den beiden schwarzen Abendkleidern und den beiden Paaren Highheels, die sich Stufe für Stufe nach unten, nun ja, tasten. Die Kameras gehören: Eva Herman. Das Playback setzt ein. Herman spitzt die Lippen, wiegt die Hüften, singt: „Shoo shoo little bird“. Ihre Kollegin und Gesangspartnerin Bettina Tietjen verpatzt ihren Einsatz, der „Cha Cha Cha D’Amour“ jedoch säuselt ungestört weiter. Für eine Schlagzeile reicht es diesmal nicht.

Ein paar Wochen später ein Montagvormittag in einem Hamburger Café. Eva Herman hat frei. Sie grinst, zupft eine Spitze ihres Croissants ab und taucht es in den Milchschaum ihres Kaffees. Sie erzählt gerne von der Showtreppe, auf der sie mit Frau Tietjen zum ersten Mal im Fernsehen als Swingsängerin auftrat. Sie grinst, während sie sich kleine Blätter ihres Croissants auf den Pulli bröselt, weil man es sich ja nur vorstellen muss – so wie es die beiden vor ihrem Auftritt gemacht haben: wie Frau Tietjen plötzlich fünf Zentimeter kleiner wird und stolpert, weil ihr mal wieder die Absätze abbrechen. Wie Frau Herman ebenfalls stolpert. Wie sie beide die Treppe hinabkullern in ihren schwarzen Abendkleidern. „Wir waren nicht aufgeregt“, sagt Eva Herman dann, sehr nüchtern auf eine Art, und kichert. „Wir waren total hysterisch.“ Sehr kokett auf eine andere Art. Dann schüttelt sie den Kopf und verbessert: „kindisch“.

Man muss es sich nur vorstellen, dann ahnt man auch, worauf sie lauern, die Schlagzeilenmacher: darauf, wie sich das, so das Ergebnis einer Emnid-Umfrage, „beliebteste Gesicht“ der „Tagesschau“, Eva Herman, mit Geigen und Amour-Gesäusel vor Kameras so richtig flachlegt. Und dazu gesteht, kindisch und hysterisch gewesen zu sein. Bild hat es auf Herman abgesehen. Eva Herman, Sprecherin der „Tagesschau“, Buchautorin, Talkmasterin und seit kurzem auch Sängerin, ist eine der neuen Lieblingsfeindinnen der Bild-Zeitung. Der Grund: Herman hat sich der Klage gegen Dieter Bohlens Autobiografie angeschlossen, weil zu viele, zu unwahre und zu intime Details aus ihrem Privatleben öffentlich werden. Seither darf das Buch nur mehr mit geschwärzten Passagen vertrieben werden. Ungünstigerweise rührt die Klage an ein Netzwerk aus medialen Interessen, das bei Bohlens Autorin Katja Kessler und ihrem Ehemann, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, einen seiner Knotenpunkte hat. So kommt es, dass Herman nichts mehr sagen und tun kann, was Bild nicht gegen sie zu verwenden wüsste.

Wenn sie sich zur Premiere des Roman-Polanski-Musicals „Tanz der Vampire“ blass schminkt und Bluttropfen aus dem Mund über das Kinn malt, macht Bild sie zum „bissigen, gruseligen, draculösen Wesen“. Wenn sie ein Buch über die Bedeutung des Stillens von Säuglingen schreibt, macht Bild sie zur „Super-Mutti“ der Nation und empfiehlt den Lesern: „Haben Sie von irgendetwas überhaupt keine Ahnung? Dann schreiben Sie ein Buch darüber.“

Begonnen hat die Kampagne Ende Oktober. Nach Hermans erfolgreicher Klage gegen das Bohlen-Buch stilisierte Bild sie zur neuen Susan Stahnke, zur Nachfolgerin jener unglücklichen ehemaligen „Tagesschau“-Kollegin, die mit ihren Hollywood-Träumen böse abgestürzt ist und nur noch mit der so bizarren wie verzweifelten Suche nach ihrem Vater von sich reden macht. Bild zählt seither den Countdown bis zum Untergang der Herman, verhöhnt sie mit einem „Stahnke-Barometer“, das mit „Stahnke-Faktoren“ die Sexyness der beiden vergleicht. Druckt freizügige Fotoaufnahmen von Herman als Marylin Monroe, verteilt „Güldene Susans“. Das Barometer steht bei achteinhalb von möglichen zehn Punkten.

Über Bild und die Kampagne will Herman gar nicht mehr sprechen. Mittlerweile nicht mehr. Sie zupft die zweite Spitze ihres Croissants ab, hebt die Schultern leicht an und lässt sie wieder fallen. Was sollte sie auch sagen? Dass es verletzend ist, verachtend, existenziell bedrohlich? Darauf lauern sie ja. Um alles andere kümmert sich nun ihr Anwalt Matthias Prinz. Etwas später, der Torso des Croissants liegt unverzehrt und zerzupft auf ihrem Teller, wird sie über Bild sprechen. Ein Mal.

Nachdem Bild Anfang November Hermans Stillbuch eine große Schlagzeile gewidmet hatte („Eva Hermans Thesen übers Stillen und Kindererziehung empören viele Mütter“), kletterte ihr Buch beim Online-Händler Amazon von Platz 12.600 auf Platz 670. „Natürlich ist das erstmal positiv“, sagt Herman. Die Argumentation, verhöhnende Texte in Kauf zu nehmen, weil sie dennoch verkaufsfördernd sind, mag sie weniger. „Schade ist, wenn nun Millionen von Frauen verunsichert sind und denken, sie müssten gar nicht stillen.“

Kein Wort davon, dass es auch schade um sie selbst wäre. Nur um die Stillkultur. Warum liegt ihr diese so am Herzen, dass sie ein Buch veröffentlicht? „Warum?“, wiederholt Herman die Frage und holt tief Luft. Die Antwort wird etwas länger. „Weil 1,5 Millionen Babys sterben, weil sie nicht gestillt werden weltweit, und kaum jemand interessiert sich dafür.“ Auch nicht für die Vorteile, die das Stillen habe, dass es das Risiko von Übergewicht und Gefahr einer Suchtabhängigkeit bereits in der Wiege senke. Weil es ein gesellschaftliches Thema sei, das wieder ins öffentliche Bewusstsein dringen müsse. Eva Herman klingt, als ob sie sich verteidigen müsse. „Ja, klar“, sagt sie, häufig müsse sie sich verteidigen. Immer wieder. Warum gerade sie nun ein Stillbuch schreibe? Ob sie wieder schwanger sei oder ob sie immer noch stille? „Viele fragen sich zu Recht, warum ich mich mit diesem Thema beschäftige“, sagt sie dann. Warum sich die „Tagesschau“-Sprecherin damit beschäftige. Nein, sagt Herman, unter dem Rechtfertigungsdruck leide sie nicht. „Ich nutze meine Bekanntheit, um auf das Thema aufmerksam zu machen.“

Die Rolle der „Tagesschau“-Sprecherin ist Eva Hermans Garantie dafür, als seriös wahrgenommen zu werden

Damit macht es Eva Herman der Bild-Zeitung nicht wirklich schwer. Sie bietet genügend Angriffsflächen. Man muss nur all ihre schillernden Auftritte gegeneinander stellen. Herman schreibt autobiografisch gefärbte Liebesromane und gesteht schon mal, nach einem Nachrichtenbeitrag aus einem Krisengebiet geweint zu haben. Sie propagiert die Rückkehr der Stillkultur und behauptet, als Porsche-Liebhaberin Automarken an ihrem Motorengeräusch zu erkennen. Sie moderiert seit sieben Jahren zusammen mit Bettina Tietjen die Talkshow „Herman&Tietjen“ und posiert als Marylin Monroe für eine Benefiz-Aktion des Hamburger Abendblatts. Sie erzählt, nach ihrer Scheidung eine Therapie gemacht zu haben, und lässt sich Wochen später mit ihrem neuen Partner bei einem Spaziergang ablichten.

Herman erzählt und schreibt und singt trotz Bild. Und wegen Bild. „Die CD ‚Swing it‘ aufzunehmen war Luxus“, wie sie offen zugibt. Eine Zugabe, ein kleiner echter Traum. „Es ist eine Herausforderung, die ‚Tagesschau‘ zu lesen“, betont sie. Das genüge ihr, weil sie „sonst die anderen unterschiedlichen Projekte nicht mehr verwirklichen könnte“. Als Nachrichtenjournalistin hätte sie weder die Zeit dazu noch den Spielraum. Deshalb bezeichnet sie die CD auch als „Geschenk, aber keinen Anfang einer neuen Karriere“. Dass sie auch das genauso meint, gehört zum Prinzip „Eva Herman“. Und ist der Unterschied zu Susan Stahnke. Standbein und Spielbein: Die „Tagesschau“ ist Hermans Garantie dafür, als seriös wahrgenommen zu werden. Deshalb kann sie es sich leisten, Ausflüge in den Bereich der leichten Unterhaltung zu machen. Solange der Rock bei Fotoaufnahmen nicht weiter als eine Handbreit über das Knie rutscht. Das ist einer der Deals mit ihrem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber, dem NDR. „Tagesschau“-kompatibel bleiben – so heißt die Prämisse. Und die bleibt Definitionssache. „ ‚Tagesschau‘, das steht für Neutralität, für größtmögliche Objektivität“, so beschreibt Herman selbst den Erfolg der Sendung. Die leere Kaffeetasse hat sie mittlerweile beiseite geschoben, die Unterarme auf der Tischkante aufgestützt. Ganz so, als säße sie auf ihrem Sprecherstuhl. Fehlte nur noch das „Guten Abend, meine Damen und Herren“. Dieser Erfolg der „Tagesschau“ ist es, der auf ihre SprecherInnen abfärbt. Herman ist bei weitem nicht die Erste, die wegen und neben der Seriosität Starallüren entwickelt. Dagmar Berghoff moderierte das Wunschkonzert und war mit ihrer Klage gegen einen Visagisten in den Schlagzeilen. Jens Riewa mit seiner Bettgeschichte mit Schlagersternchen Michelle. Jan Hofer mit seinen Slips.

Wie all die anderen sucht die Person Eva Herman genau jene Öffentlichkeit, die sie als Gesicht der „Tagesschau“ nicht hat. Die sie aber erst erlangen kann, weil sie als „Miss Tagesschau“ ein Teil der Öffentlichkeit, ein Teil des deutschen Feierabends, des privaten Wohnzimmers geworden ist. Ohne Bild wäre sie dort nicht eingezogen. Ohne Bild hätten sie die Zuschauer nicht zum zweiten Mal in Folge in der Emnid-Umfrage zur beliebtesten Nachrichtenmoderatorin im deutschen Fernsehen gewählt. Ein Zeichen dafür, dass sich Eva Herman gut verkauft. „Die Leute kennen mich von den anderen Projekten, die ich mache“, erklärt sie den Erfolg ganz nüchern, eben auf ihre eine Art. Die Leute kennen und erkennen sie. Als vereinnahmend empfindet sie dies nicht. „Früher hätte ich gesagt: Klasse. Inzwischen bin ich gelassener, das ist mein Beruf.“ Es sei eine Frage des Alters und der Reife, analysiert sie weiter, heute sei sie authentisch. Ob sie sich denn gar nicht freue über die Wahl? „Natürlich bin ich stolz darauf“, sagt sie und lächelt. Sehr kokett, auf ihre andere Art.

Stolz ist sie natürlich auch darauf, danach gefragt zu werden. Darauf, dass es das damals 17-jährige Mädchen, das auf einem Dorf im Harz aufgewachsen ist und die Schule abgebrochen hat, bis hierher geschafft hat. Nachdem sie zunächst Hotelfachfrau gelernt und später beim Bayerischen Rundfunk in München – damals für sie „die große weite Welt“ – dennoch eine Sprecher- und eine dreijährige redaktionelle Ausbildung gemacht hat. „Klar hätte ich gerne studiert“, sagt sie heute. „Soziologie.“ Weil sie glaubt, in diesem Fach etwas lernen zu können über Mann und Frau. Darüber, dass die Geschlechter sich einfach nicht verstehen können könnten. Es ist die „Tagesschau“-Stimme, die das sagt. Die seriöse. Aber das Spielbein tanzt dazu. Und Bild lauert weiter nur darauf.