Anti-Islam-Hetze in Norwegen

Der Chef der ausländerfeindlichen Fortschrittspartei vergleicht den Koran mit Adolf Hitlers „Mein Kampf“ und löst damit lautstarke Proteste mehrerer Botschafter aus

STOCKHOLM taz ■ Diplomaten sind gemeinhin vorsichtig, wenn es darum geht, sich in innenpolitische Debatten ihres Gastlandes einzumischen. Norwegens Rechtsaußenpolitiker Carl I. Hagen schaffte es am vergangenen Wochenende, die Botschafter Pakistans, Indonesiens, Ägyptens, Marokkos und Tunesiens zu einer öffentlichen Erklärung und einem öffentlichen Brief mit ausgesprochen undiplomatischem Inhalt in der Osloer Tageszeitung Aftenposten zu bewegen. Der Vorsitzende der ausländerfeindlichen Fortschrittspartei habe „1,3 Milliarden Menschen beleidigt“, seine Äußerungen stünden außerdem im Gegensatz zu den toleranten Werten, auf welchen die Gesellschaft ihres Gastlands zu gründen beanspruche.

Hagen hatte Worte gefunden, die selbst seine früheren Äußerungen über andere Kulturen weit in den Schatten stellen. Auf einem christlichen Kongress in Bergen baute er einen scharfen Kontrast zwischen Christentum und Islam auf: Dem Christentum vergleichbare Moral- und Gerechtigkeitsvorstellungen vermöge er im Islam nicht zu finden. Er verglich die Botschaft des Koran mit der von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ und klagte den Religionsgründer Mohammed an, direkt islamische Terroristen zu ihren Taten zu inspirieren. „Lasset die Kinder zu mir kommen, sagte Jesus. Ich weiß nicht, ob Mohammed auch so etwas gesagt hat. Aber wenn, dann war das wohl: Lasst die kleinen Kinder zu mir kommen, damit ich sie in meinem Kampf, die Welt zu erobern, ausnutzen kann“, sagte Hagen.

Die muslimische Welt habe ein Eroberungskonzept vergleichbar dem der Nazis und sei dabei, dieses umzusetzen. Falle auch noch die letzte Bastion Israel, falle auch Europa. „Deshalb müssen wir handeln.“

Wie dieses Handeln aussehen soll, überließ Hagen der Fantasie seiner ZuhörerInnen und den GenossInnen seiner „Fortschrittspartei“ (Frp). Diese ist mit knapp 15 Prozent drittstärkste Partei im Parlament, hatte landesweit bei den letztjährigen Kommunalwahlen mit 17,9 Prozent das beste Resultat ihrer Geschichte errungen und kommt in Umfragen zeitweise auf über 20 Prozent Zustimmung.

Derzeit führt die Frp eine Debatte über ein mögliches Islam-Verbot. Das sei wohl die einzige Lösung, verkündete der Frp-Vorsitzende Halvor Hulaas in der Tageszeitung Dagbladet. „Wir importieren Leute in unser Land mit einer Religion, wie sie vor 600 Jahren in der Wüste gegründet wurde. Unsere Freiheit kann uns genommen werden, wenn wir keine klaren Forderungen an solche Einwanderer stellen.“

Und seine Stellvertreterin Karina Udnæs befand: „Es ist höchste Zeit, dass in Norwegen und Europa die Ideologie und die Ausübung des Islam verboten und strafbar gemacht werden, so wie das mit dem Nazismus geschehen ist.“

Selbst wenn man Hagens Äußerungen vor dem Hintergrund der Terrorismus-Debatte sehe, seien diese „unverzeihlich“, schreiben die Botschafter in ihrem Brief. „Beschuldigungen gegen eine Religion und deren Anhänger tragen nur dazu bei, die Stimmung aufzuputschen und ermuntern zum Extremismus. Sie können nicht mit Meinungsfreiheit entschuldigt werden.“

Neben einer Anzeige gegen ihn wegen Gotteslästerung provozierte der Frp-Vorsitzende auch Ablehnung seitens der meisten anderen Parteien. „Hagen spielt das Spiel der Terroristen mit“, warf ihm Thorbjørn Jagland von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei vor. Erna Solberg, Vorsitzende der konservativen Høyre über ihren potenziellen Koalitionspartner: „Solche Äußerungen machen die Zusammenarbeit nicht gerade leichter.“ Und Bernt Hagtvet, Staatswissenschaftsprofessor an der Universität Oslo, glaubt, dass Hagen die Chancen der Fortschrittspartei, koalitionsfähig zu werden, mal wieder verspielt habe. REINHARD WOLFF