Flüchtlingspolitik heißt Abschreckung

Flüchtlinge gelten in Köln als notorische Kriminelle und werden primär als „Sicherheitsproblem“ behandelt. Teil III der taz-Serie zur Kommunalwahl

Von Susanne Gannott

Wohl kaum ein Thema wird von Politikern und Medien so gerne zur populistischen Stimmungsmache missbraucht wie die Flüchtlingspolitik. In Köln läuft das in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Klau-Kids“. Seit der Express die diffamierende Vokabel im August 2002 in die Welt setzte und damit eine beispiellose Kampagne gegen Roma-Flüchtlinge eröffnete, konzentriert sich die städtische Diskussion um eine Frage: Was tun, damit Köln nicht länger „Hauptstadt der Taschendiebe und Wohnungseinbrüche“ ist?

Angetrieben vom Geschrei der Stammtische, an denen diffuse Ängste vor Kriminalität und Überfremdung so gut gedeihen wie Sozialneid und Deutschtümelei, hatten die politischen Eiferer ihre Antwort schnell parat: Die „Klau-Kids“ gehören in geschlossene Heime, ihre Familien möglichst schnell abgeschoben und ansonsten muss man die Flüchtlinge einfach so mies behandeln, dass niemand mehr die „Gastfreundschaft“ dieser Stadt in Anspruch nehmen möchte.

Nun ist Abschreckung nicht erst seit der „Klau Kids“-Debatte ein Hauptmerkmal Kölner Flüchtlingspolitik. Auch das berüchtigte Containerlager in Kalk, das die damalige CDU-FDP-Ratsmehrheit im Herbst 2001 beschloss, oder das Schiff „MS Transit“, auf dem noch bis letzten September Flüchtlinge unter Menschen unwürdigen Bedingungen leben mussten, hatten den ausdrücklichen Zweck, Kölns zu „guten Ruf“ bei Flüchtlingen zu ruinieren. Mit miserablen Wohnbedingungen, Sammelverpflegung statt Bargeld und einer möglichst schikanösen Behandlung wollte die damalige Rathausmehrheit gezielt dafür sorgen, dass der angeblich massenhafte Zustrom von „Illegalen“ in die Stadt endlich versiegt. Vor allem aus finanziellen Gründen: Besonders die FDP klagt bis heute gebetsmühlenartig über die hohen Unterbringungs- und Unterhaltskosten, die der Stadt durch die Flüchtlinge entstehen (siehe Interview).

Mit der „Klau Kids“-Debatte bekam das Thema dann allerdings eine weitere unangenehme Note: Flüchtlinge als „Sicherheitsproblem“. Da wurde von organisierten Balkan-Banden schwadroniert, die die Stadt mit abertausenden Straftaten überziehen würden und dabei – O-Ton FDP – „100.000 Opfer“ hinterlassen. Nun sind die Statistiken, nach denen ein Großteil der Taschendiebstähle und Wohnungseinbrüche auf Roma zurückgeführt wurden, zwar umstritten. Auch ist bekannt, dass von den rund 3.500 „illegal Eingereisten“ nur etwa 80 Kinder und Jugendliche als Kleinkriminelle aktenkundig sind.

Dessen ungeachtet wurde der rassistische Generalverdacht gegen alle Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien – und besonders gegen Roma – inzwischen in praktische Politik umgesetzt. Weil man pauschal davon ausgeht, dass die Flüchtlinge entweder bereits Straftaten begangen haben oder aber bald begehen dürften, werden Neuankömmlinge in Köln heute sofort erkennungsdienstlich behandelt und auf alle nur erdenkliche Art von Polizei, Ausländeramt und anderen Behörden in die Mangel genommen. Normalität ist inzwischen auch die permanente Polizeiüberwachung vor den Wohnheimen inklusive Fahndung nach „Sozialhilfebetrügern“. Großrazzien mit anschließender Massenabschiebung häufen sich. Mit dieser neuen „Sicherheitsoffensive“ brüstet sich die CDU, angeführt von OB Fritz Schramma und Polizeipräsident Klaus Steffenhagen, immer wieder gerne.

Allerdings wird die Flüchtlingsfrage inzwischen von manchen auch unter dem Aspekt betrachtet, dass die zweifelsohne vorhandenen Probleme, etwa im Umfeld der Heime, womöglich hausgemacht sind. Weil man etwa Menschen jahrelang in alten Kasernen zusammenpfercht, ihnen nicht erlaubt zu arbeiten und eine Existenz aufzubauen und sich einen Dreck darum schert, ob die Eltern ihre Kinder in die Schule schicken. Jetzt investiert man immerhin in ein paar Integrations- und Präventionsprojekte wie das Roma-Haus „Amaro Kher“. Und es gibt endlich ein Unterbringungskonzept, das Flüchtlingen – wenn auch erst nach drei Jahren – die Möglichkeit geben soll, eine eigene Wohnung zu beziehen.

Das ist zweifelsohne neu an der „neuen Flüchtlingspolitik“, die Schwarz-Grün – und vor allem Grün – bei Amtsantritt 2003 versprochen hat. Allerdings wirken die neuen Ansätze angesichts von „Sicherheitsoffensiven“ und fortgesetzter „Das Boot ist voll“-Rhetorik eher wie ein Feigenblatt denn als grundsätzliche politische Neuordnung. Und so werden Unterstützergruppen, Grüne und PDS lange fordern können, dass Köln die Integration von Flüchtlingen vorantreiben soll – zum Beispiel durch eine großzügige Bleiberechtsregelung für „Altfälle“. Solange sich die Populisten und verkappten Rassisten in der Stadt einer vernünftigen und menschlichen Sicht auf die Dinge verweigern, bleibt das ein schöner Traum.