Festival sucht seinen Leiter

Burkhard Hennen, künstlerischer Leiter des renommierten Moers Festivals, hört auf. Grund sind Streitereien mit der Stadt. Aktuelles Programm bietet eine Art Retrospektive. Zukunft ist unklar

AUS MOERSHOLGER PAULER

Die letzten 14 Monate waren anstrengend. Mehr als 2.000 Stunden Musik gab sich der künstlerische Leiter Burkhard Hennen, um das Programm des „34. New Jazz Festival Moers“ (13. bis 16. Mai) zusammen zu stellen. Bereits im Vorfeld war klar, dass sein 34. Festival auch sein letztes sein wird. Die obligatorischen Streitereien mit der Stadt haben dazu geführt, dass Hennen die Option auf eine Verlängerung des Vertrags verstreichen ließ. Es ging wohl auch um ein paar Euro. Eines der größten Jazz-Festivals Europas, mit jährlich 25.000 verkauften Karten, steht vor einer ungewissen Zukunft.

Auf der Pressekonferenz im düsteren Keller des schlauchförmigen Moerser Jazzclubs „Die Röhre“, wo vor knapp 30 Jahren alles anfing, demonstrierte Hennen die Distanz zur Stadt. Auf dem Podium ignorierte er seinen Sitznachbarn, den Kulturdezernenten Hans Gerd Rötters. Hennen referierte eine Stunde über das Programm. Zum Schluss seiner Ausführungen gab er Preis, dass er bereits die Programme bis zum Jahr 2007 im Kopf habe. Auf die Nachfrage, für welches Festival diese Programme gedacht seien, antwortete er nicht. „Es gehr hier nicht um meine Zukunft“, sagte Hennen. Es war wohl nur ein geschickt platzierter Versprecher.

Kulturdezernent Rötters hatte im Anschluss keine Zeit oder auch keine Lust, zur Zukunft des Festivals konkret Stellung zu nehmen. „Wir arbeiten bereits am Programm“, sagte Rötters. Dafür hat die Stadt Moers kürzlich eine eigene „Festival Moers Kultur GmbH“ gegründet. „Aufsichtsrat und Geschäftsführung gehen davon aus, dass es auch im Jahr 2006 und den darauf folgenden Jahren ein Moers Festival geben wird. Die Geschäftsführung wird vom Aufsichtsrat beauftragt, die notwendigen Maßnahmen zur Fortführung des Moers Festivals ab 2006 einzuleiten. Dem Aufsichtsrat sind kurzfristig entsprechende Handlungsalternativen aufzuzeigen“, heißt es trocken in einer Mitteilung zur Gründung der GmbH.

Die Probleme zwischen Hennen und der Stadt sind nicht neu. Schätzungsweise ein halbes Dutzend mal schmiss er in seiner Karriere die Brocken hin, um später einen Rückzieher zu machen. Vor drei Jahren beendete der WDR sein langjähriges Engagement beim Moers Festival – unüberbrückbare Differenzen zwischen Künstlerischer Leitung und Programmdirektion gaben den Ausschlag. Der Vorwurf, die Musik sei nicht sendefähig, stand im Raum.

Dabei machte das Festival in seiner Geschichte einen radikalen Wandel mit. In den Anfangsjahren stand noch der FreeJazz und die frei improvisierte Musik im Mittelpunkt. Der Fokus lag auf der europäischen Szene: Musiker wie Peter Brötzmann, Peter Kowald, Han Bennink oder Evan Parker prägten die Musik. Die Konzerte im Schlosshof fanden vor knapp 800 Zuhörern statt. Mit der Zeit wuchs das Festival. Der Spielort wurde über den Freizeitpark über die Eishalle in das größte Zirkuszelt Europas verlegt. Auch die programmatischen Schwerpunkte verlagerten sich: Die New-Yorker Downtown-Szene um John Zorn, David Moss oder Fred Frith in den frühen 80ern, HipHop und Weltmusik in den 90ern, Elekronik im neuen Jahrtausend – ohne den Kontakt zum Jazz zu verlieren.

In diesem Jahr steht noch einmal der große Moerser Gemischtwarenladen auf dem Programm: Das klassische Jazztrio des amerikanischen Saxofonisten Odean Pope, Colin Towns Mask Orchestra, der Party Convoy der niederländischen Post-Punk-Band, der französische Klarinettist Louis Sclavis, David Thomas und seine legendäre Hardcore-Artrock-Kollegen von Pere Ubu und natürlich das über 40 Mann- und Frau-starke Shibusa Shirazu Orchestra aus Japan – quasi der Festival-Showdown in Bombastform.

Würde ja passen. Für die seit ihrem ersten Moers-Auftritt im Jahre 1998 legendären Japaner wird die diesjährige Tour die vorerst letzte durch Europa sein. Das Ensemble aus Musikern, Tänzern, Akrobaten, Malern und Filmern will eine längere Pause einlegen. Europa-Comeback nicht ausgeschlossen. Wohl eher nicht in Moers, aber vielleicht ja mit Hennen.

Moers Festival, 13. bis 16. MaiFreizeitpark MoersInfos: www.jazzmexx.de