Exguerillera ist Lulas neue Managerin

Mit der Auswahl der Präsidialamtsministerin Dilma Rousseff hat Brasiliens Staatschef Lula da Silva seinen alten politischen Instinkt unter Beweis gestellt. Ihr Vorgänger José Dirceu hatte wegen eines Korruptionsverdachts den Hut nehmen müssen. Die 57-Jährige bekam den einflussreichen Job vor allem deshalb, weil sie als gradlinige, kompetente und unbestechliche Technokratin gilt. Zudem fehlt der Exguerillera der Stallgeruch der arg gebeutelten Arbeiterpartei PT, der sie erst 2001 beitrat.

Als Bergbau- und Energieministerin gehörte Rousseff schon seit zweieinhalb Jahren zu den Schwergewichten in Lulas Kabinett. So gelang es ihr, behutsam die Rolle des Staates in jenem hoch komplizierten Bereich zu stärken, der durch die Privatisierungspolitik der 90er-Jahre besonders gebeutelt worden war: der Stromwirtschaft. Dabei ist sie alles andere als eine Grüne, wie der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin mehrmals erleben durfte: Erneuerbare Energien sind für sie eine eher lästige Randerscheinung, aus wirtschaftlichen Gründen setzt sie ganz auf ökologisch und sozial fragwürdige Staudammprojekte. Andererseits ist es wohl ihr zu verdanken, dass Lula dem Druck der Atomlobby noch nicht ganz erlegen ist: Die Fertigstellung des Siemens-AKW Angra 3 südlich von Rio sei schlicht zu teuer, argumentiert sie.

Respekt verschafft hatte sie sich schon zuvor, als erfolgreiche Energieministerin des südlichen Bundesstaats Rio Grande do Sul. Durch einen „Managementschock“ soll sie jetzt Lula dabei helfen, die bislang eher dürftige Regierungsbilanz bis zur nächsten Wahl im Oktober 2006 aufzubessern. Sie wolle die Arbeit ihrer KollegInnen „potenzieren“ und für die Gesellschaft sichtbar machen, sagt die gelernte Ökonomin.

Ihr wohl größtes Manko ist ihr schnörkelloses, oft brüskes Auftreten, denn in ihrer neuen Funktion muss sie vermitteln – innerhalb des Kabinetts sowie zwischen Regierung und den Gouverneuren der Bundesstaaten. Gilberto Gil ist dennoch optimistisch: Rousseff sei zwar eine „starke Persönlichkeit mit Macho-Zügen“, so der Popstar und Kabinettskollege in einem zweifelhaften Kompliment, doch als Frau werde sie die brasilianische Politikerkaste wenigstens „etwas zivilisieren“.

Dilma Roussef, die von ihrem Mann getrennt lebt und eine erwachsene Tochter hat, zeigte schon früh Stärke und Idealismus: 1967, drei Jahre nach Beginn der brasilianischen Militärdiktatur, ging sie in den Untergrund, beteiligte sich an mehreren Banküberfällen und stieg in die Führungszirkel der Stadtguerilla auf. 1970 wurde sie verhaftet, gefoltert und verbrachte fast vier Jahre im Gefängnis.

GERHARD DILGER