Sehen, ob es schmeckt

Die „virtuelle Weinverkostung“ soll Käufern die Auswahl durch Grafiken leichter machen

VON JUTTA BLUME

Zwar soll es einige Weinkenner auf diesem Planeten geben, die überwiegende Masse gehört jedoch noch immer zu den Weinbanausen. Wenn Weinbanausen einen edlen Tropfen kaufen wollen, gehen sie manchmal in ein Fachgeschäft und lassen sich von Kennern beraten. Meistens stehen sie jedoch wie ich mehr oder weniger ratlos vor dem Weinregal im Supermarkt.

Dass ich dabei zu den fünfundsiebzig Prozent gehöre, die ihren Wein nicht im Fachhandel kaufen, hilft dabei auch nicht weiter. Französischer Bordeaux, italienischer Chianti, spanischer Rioja, und da hören die Weinkenntnisse schon auf? Die Etiketten verraten meist nicht mehr als „passt zu Fleisch“, „passt zu Wild“ etc. Aber die wenigsten von uns wissen schon beim Einkauf, zu welchem Essen sie den Wein trinken werden. Letztendlich entscheidet mal wieder der Geldbeutel und das Etikett.

Hilfe verspricht die „virtuelle Weinverkostung“, eine „multisensuelle“ und „multimediale“ Visualisierung von Weingeschmack. Moment mal: eine multisensuelle Visualisierung? Aber ja: Die geschmackliche Bewertung durch Weinexperten wird genauso wie empirische Messwerte – zum Beispiel der jeweilige Säuregehalt – in eine bunte dreidimensionale Grafik übersetzt. Bei einem getesteten Weißburgunder Spätlese sieht das dann etwa so aus: Eine Menge giftgrüner Äpfel fliegt durch eine dreidimensionale Struktur, deren Linien die Viskosität darstellen. Ein schwarz-weißer Ring am Boden verdeutlicht die Ausgewogenheit zwischen Zuckeranteil und Säure. Zwischen die Äpfel haben sich zwei rote Pfirsiche verirrt, dazu kommen einige grüne Pfefferschoten. Ganz ohne Vorkenntnisse bleibt Weinlaien auch die grafische Übersetzung ein Rätsel.

Das Bild unreifer Äpfel, an denen noch die Blätter hängen, mit Pfefferschoten und Pfirsichen macht nicht wirklich Appetit auf den dargestellten Wein. Vielleicht fällt die Beurteilung jenes Weißburgunders besonders schlecht aus und die Grafik ist eine Empfehlung, diesen Wein gerade nicht zu kaufen. Auch gut, bleibe ich also beim französischen Bordeaux, den ich schon aus uralter Gewohnheit trinke.

Noch ist die „virtuelle Weinverkostung“ eine Vision, vielleicht werden aber schon nächstes Jahr die ersten Weingroßhändler und Supermärkte ihre Sorten mit den bunten Animationen ausstatten. Die grafische Darstellung des expertengeprüften Weingeschmacks entwickelten Daniel Ackermann und Ralf Jahn von der Hochschule für Kunst und Design Halle (Saale) und gewannen damit den Hauptpreis des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit regelmäßig ausgeschriebenen Gründerwettbewerbs im Bereich Multimedia. Das Ministerium will damit den Einzug „leistungsfähiger Multimedia-Technologien“ in klassische Branchen fördern. Ein weiteres Beispiel dafür sind „Smart-Home-Lösungen“.

Und eigentlich passt die virtuelle Weinverkostung doch ganz gut ins Leben zwischen Videowänden und Flachbildmonitoren, wie wir es aus dem Smart-Home der T-Com kennen. Wie wäre es, seine Freunde zur Weinprobe am Bildschirm bei entsprechendem „Mood-Management“ einzuladen? Oder doch lieber Chianti in der Stammkneipe?