Beidseitig einsichtig

Doch keine Kündigung wegen Lidl-Kritik: Karlsruher Regionalzeitung soll sich mit Redakteurin geeinigt haben

Die Lokalredakteurin der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN), der wegen eines kritischen Artikels über den Discounter Lidl gekündigt worden war (siehe taz vom 28. 9.), kann anscheinend doch bei der Regionalzeitung bleiben. Die Redakteurin soll sich in einem Vier-Augen-Gespräch mit Chefredakteur und Verleger Hans Wilhelm Baur für ihren Artikel „Handarbeit bei bis zu 24 Grad Minus“ entschuldigt und journalistische Fehler eingestanden haben. Die Chefredaktion hat daraufhin die Kündigung zurückgenommen. Noch arbeite man an einem Vergleich, sagte Baur der taz. „Aber die Zustimmung ist Formsache.“

Die Redakteurin hatte in einem Artikel für die Rastatter Lokalausgabe der BNN kritisch über die Arbeitsbedingungen bei Lidl berichtet. Dabei zitierte sie auch den für das Zentrallager in Bietigheim zuständigen Betriebsrat, der sich gegen die breite Kritik am Discounter stellte: „Bei uns ist das nicht so schlimm.“ Doch das genügte der Chefredaktion anscheinend nicht. Der Artikel sei zwar nicht „faktisch falsch“, so aber doch „tendenziös“, weil der Betriebsrat nicht ausführlicher zu Wort komme. Die Redakteurin wurde zu einem klärenden Gespräch gebeten. Als sie sich dort, so Baur, „uneinsichtig“ zeigte, wurde ihr gekündigt.

Das seltsame Engagement der BNN-Chefredaktion für den Lidl-Betriebsrat rührt nicht von ungefähr. Der Discounter ist einer der wichtigsten Werbekunden der Zeitung: Er schaltet jährlich für rund 1,4 Millionen Euro Anzeigen. Einen Tag nach Erscheinen des umstrittenen Artikels soll sich Lidl bei der BNN-Geschäftsführung beschwert und sie zu sich „einbestellt“ haben, so BNN-Betriebsrat Ralf Kattwinkel. Die Chefredaktion bestreitet das: Man sei „aus freien Stücken“ in die Zentrale nach Neckarsulm gefahren – der gegenseitige Besuch sei Gang und Gäbe. Jedenfalls erfolgte kurz nach diesem Treffen die Kündigung der betreffenden Redakteurin.

Dass es nun wohl doch noch zu einer Einigung kommt, ist laut Thomas Schelberg, dem Landesgeschäftsführer der Journalistengewerkschaft DJV, vor allem auf das breite Medienecho zurückzuführen, das der Fall erhalten hat. Nach Berichten von SWR und taz beschwerten sich zahlreiche Leser bei den BNN, vereinzelt wurden Abos gekündigt. So unter Druck gesetzt, lud Chefredakteur Baur die geschasste Kollegin erneut zum Gespräch ein, in dem man sich offenbar auf die Weiterbeschäftigung einigte. Zu der Frage, ob die Redakteurin an ihren alten Arbeitsplatz in Rastatt zurückkehre, äußerte sich Baur nur vage: Man werde ihr dieselbe Stelle „oder Adäquates“ anbieten. Bei DJV und Betriebsrat begrüßt man die wahrscheinliche Einigung. Was man nun erreicht habe, sei „trotz allem positiv“. HPI