Statistik der blutenden Nasen

Die Zahl der gemeldeten Gewaltvorfälle an Schulen ist im vergangenen Schuljahr erneut gestiegen. Aus Sicht der Landesschulverwaltung zeigt sich darin mehr Sensibilität im Umgang mit Aggressivität

VON ALKE WIERTH

Berliner Schulen haben im vergangenen Schuljahr den Behörden 894 Fälle von Gewalt gemeldet. Das sind 334 Fälle – oder 60 Prozent – mehr als im Jahr zuvor. In Berlin gibt es seit 1992 eine Meldepflicht für Gewalttaten an Schulen, und seit 5 Jahren veröffentlicht die Schulverwaltung jährlich den Gewaltbericht – mit stetig zunehmenden Zahlen.

Von gefährlicher Körperverletzung über Raub und Erpressung bis zu extremistisch motivierten Straftaten erfasst die Statistik alle Vorfälle, die die Schulen melden. Darunter sind schwere Prügeleien, aber auch mutwillig eingeworfene Fensterscheiben oder zerbrochene Brillen. Unter den Tätern sind männliche Schüler mit 81 Prozent in der Mehrheit, auch Ziel von Gewalt werden sie doppelt so häufig wie Mädchen. Und auch Lehrer werden Opfer. Immerhin in 16 Prozent aller gemeldeten Fälle ging es gegen sie.

Mehr als ein Viertel der gemeldeten Vorfälle ereigneten sich an Grundschulen. Dort, aber auch an den Hauptschulen sind Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache bei den Tätern überrepräsentiert. 25 Prozent der Schülerschaft machen sie an den allgemeinbildenden Schulen aus. Unter den Tätern der gemeldeten Delikte stellen sie knapp 36 Prozent.

Doch nicht allein die Bezirke mit hohem Migrantenanteil führen die Gewaltstatistik an. Zwar steht Mitte mit Abstand ganz oben in der Tabelle. Doch dass dort die Zahl gemeldeter Gewalttaten von 9 im Jahre 2000 auf nun 205 gestiegen ist, führten die Experten aus der Verwaltung eher auf erfolgreiche Aufklärungsarbeit denn auf tatsächlich zunehmende Gewalt zurück. Für diese Interpretation spricht, dass Friedrichshain-Kreuzberg mit aktuell 43 Fällen von Gewalt (2000: 19) zweitfriedlichster Bezirk vor Spandau ist: Dies sei, so formuliert der Bericht vorsichtig, darauf zurückzuführen, dass „vergleichbare Aufklärungsbemühungen wie in Mitte“ aus diesem Bezirk nicht bekannt seien.

Immer noch fürchten offenbar viele Schulen, mit der Meldung von Gewalttaten ihren in einigen Bezirken bereits angeschlagenen Ruf weiter zu ruinieren. Dabei, so Bildungsstaatssekretär Härtel, nütze den Schulen die Meldung mehr als dass sie schade. Denn seit Jahren bemüht sich die Bildungsverwaltung mit Projekten wie dem Präventionstag, mit Unterstützung von Schulpsychologen, aber auch in enger Zusammenarbeit mit der Polizei, Gewalt an Schulen einzudämmen.

„Jede Tat ist eine zu viel“, sagt Innenstaatssekretär Ulrich Friese. Doch er weist auch darauf hin, dass immer dann, wenn Aufklärungskampagnen zu bestimmten Gewaltdelikten laufen, die Zahl der entsprechenden Anzeigen steige. Von den 420.000 Berliner Schülerinnen und Schüler tauchen gerade mal 0,2 Prozent als TäterInnen in der Statistik auf.