Ein Fuchs im Hühnerstall Linksfraktion

Die Grünen punkten im Bundestag gegen die Linkspartei mit dem Thema Menschenrechte auf Kuba. Ein leichter Sieg: Denn in der Linkspartei geben in der Kubafrage die Dogmatiker den Ton an. Im Parlament müssen die Abgeordneten herumlavieren

Die Parteigruppe „Cuba si“ setzt politische Gefangene in Kuba in Anführungszeichen

AUS BERLIN STEFAN REINECKE

Die Linkspartei wollte gestern im Bundestag alles richtig machen. Sie wollte, so die Linkspartei-Abgeordnete Monika Knoche markig in der Jungen Welt, „den Gegnern des sozialistischen Kuba ordentlich Zunder geben“. Sie wollte es den Grünen zeigen. Das musste schief gehen.

Die Grünen haben etwas ziemlich Naheliegendes versucht: gegen die Linkspartei mit dem Thema Menschenrechte auf Kuba zu punkten. Der grüne Antrag im Bundestag gestern wiederholt eine Resolution des Europaparlaments, die die Unterdrückung der Opposition in Havanna kritisiert hatte. Im EU-Parlament hatten die Linkspartei-Abgeordneten André Brie und Gabi Zimmer den Antrag unterstützt und einen Sturm der Empörung in der eigenen Partei ausgelöst. Das grüne Manöver im Bundestag war also durchsichtig – und trotzdem erfolgreich.

Denn die Linksfraktion führte sich auf, als wäre der Fuchs im Hühnerstall. Erst kündigte sie vollmundig einen eigenen Kuba-Antrag an. Doch der fiel aus: Die Fraktion konnte sich auf keinen Text einigen. Ihr klügerer Teil hatte wohl gemerkt, dass sie sich beim Thema Kuba bestenfalls nicht blamiert.

Denn Kuba zeigt, wie viel Ideologie noch immer in der Linkspartei steckt. Und wie gespalten die Fraktion ist. Es gibt eine lautstarke Riege von Dogmatikern um Diether Dehm und Ulla Jelpke, die jede Kritik an Kuba für Verrat hält. Eine diffuse Mittelgruppe, die irgendwie für Kuba ist. Und es gibt die Reformer, die beim Thema Kuba allerdings verhuscht wirken. Bloß keinen Konflikt riskieren, scheint ihr Motto zu sein. Damit ermuntern sie die Betonfraktion erst recht.

Jan Korte, 28, gehört zu den jungen Reformern. 1999 ist er bei den Grünen wegen des Kosovokriegs ausgetreten. Er wirkt offen, locker, unideologisch und könnte auch ein linker Sozialdemokrat sein. Doch auch Korte hat die Erklärung des Parteivorstands unterstützt, in der Kuba als sozialistischer Staat gelobt und mit keinem Wort erwähnt wird, dass dort systematisch Menschenrechte und Meinungsfreiheit unterdrückt werden. Kuba, sagt Korte, ist „ein heikles Ding“. Neulich war er bei der Basis in Bitterfeld. Die wollte wissen, wie er es mit Kuba hält. „Das bewegt die Genossen“, sagt Korte. Und: „Es muss weiterdiskutiert werden.“ Er klingt wie ein Politiker, der Ausflüchte sucht. Und der weiß, dass er wie ein Politiker klingt, der Ausflüchte sucht.

1998 war die PDS schon mal weiter, zumindest auf dem Papier. Damals wollte der Parteivorstand, die „Praxis der SED, Menschenrechtsverletzungen im ‚eigenen Lager‘ zu rechtfertigen beziehungsweise zu tolerieren und sie beim politischen Gegner scharf anzugreifen, vollständig überwinden“. Es sollte Schluss sein mit den Aufrechnungen. Doch das blieb Theorie. In der Praxis reden auch Reformer, wenn man sie nach politischen Gefangenen auf Kuba fragt, lieber über Guantánamo und den BND in Syrien.

Denn Kuba ist für viele Genossen ein Projektionsraum, in dem Bush der böse Goliath ist und Castro der tapfere David. In dieser Traumwelt lebt die Gruppe „Cuba si“. Politische Gefangene in Kuba setzt Cuba si in Anführungszeichen. Will sagen: Feindpropaganda. Am Samstag wird Cuba si in Berlin vor der kubanischen Botschaft demonstrieren gegen die „Lakaien den US-Staatsterrorismus und Contras“. Cuba si hat den Status einer Arbeitsgruppe in der Linkspartei. Und Einfluss.

Für die Linksfraktion hat gestern Michael Leutert im Bundestag geredet. Leutert, 31, ist für Menschenrechte zuständig und gehört zu der jungen, eher undogmatischen Dresdner Gruppe um Katja Kipping. Er musste etwas fast Unmögliches vollbringen: eine Rede halten, die Cuba si nicht für Verrat hält, und trotzdem die Vernunft, nicht über die Maßen zu beleidigen. Er hat erwähnt, dass Menschenrechte in Kuba verletzt werden, die Todesstrafe kritisiert und wachsweich „die Grenzen der Pressefreiheit“ auf Kuba gerügt – als gäbe es dort keine eiserne Zensur. Für die Linkspartei war Leuterts Rede, verpackt in viel antigrünes Tremolo, ganz viel Kubakritik – für liberale Linke viel, viel zu wenig.

„Wir sind im Parlament, weil uns vier Millionen Leute gewählt haben – und nicht wegen 400 Kuba-Aktivisten“, sagt ein Fraktionsmitarbeiter. Die Linkspartei muss entscheiden, für wen sie da ist. Die Reformer wollen die Entscheidung vertagen. Irgendwann wird das nicht mehr klappen.