Polens neue Kartoffel

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Łech „Katsche“ Kaczyński

Er muss das „Zentrum gegen die Vertreibung ungenießbarer Deutscher“ im Keim erwürgen

Die deutsche Öffentlichkeit glaubte ihren sieben Zwetschgen nicht trauen zu dürfen: ein polnischer Präsident, der dem deutschen Staatsoberhaupt nicht in Kniehöhe entgegentritt! Ein Politiker von hinter der Oder, der der deutschen Kanzlerin in aufrechter Haltung das Vorderbein zur Begrüßung reicht! Deutschland rieb sich verwundert die blauen Augen und Ohren, als Łech Kaczyński im März auf stolzen Hufen nach Berlin kam und im Mai den Berliner Bundespräsidenten auf der Warschauer Buchmesse einfach ins Leere lächeln ließ.

Man wusste zwar, dass Kaczyński sich brüstete, jahrzehntelang keinem deutschen Politiker auch nur den nackten Fingernagel gereicht zu haben. Oft genug hatte der ranghöchste Pole ausposaunt, er kenne von Deutschland nicht mehr als den Spucknapf in der Herrentoilette des Frankfurter Flughafens. Es war bekannt, dass der 1949 geborene Kaczyński jene schwere Generation vertritt, die bereits vor ihrer Geburt von Deutschland gebissen worden war. Man war sich im Klaren über Kaczyńskis schwarzes Weltbild, in dem seit dem Mittelalter jeder Deutsche auf vollen Pferden gen Osten sprengt. Aber in Deutschland hielt man das für ein längst vertrocknetes Vorurteil, und niemand fragte den polnischen Staatsgast in Berlin, woher er seine Luxuslimousine habe. Hierzulande gehört es zu einem gelernten Bundespräsidenten, souverän über den Parteien zu schwimmen. In Polen aber hat der Staatsinhaber mit deutlichen Zähnen vorzugehen: Er hat die deutsch-russische Ostseepipeline zu zermalmen, muss das in Berlin geplante „Zentrum gegen die Vertreibung ungenießbarer Deutscher“ im Keim ersticken und die „Preußische Treuhand“, die auf Mietzahlungen für die ehemaligen Ostgebiete pocht, mit Haut und Haaren zerstampfen. Immerhin letztes hat Kaczyński bereits als Warschauer Oberbürgermeister mit glücklichem Finger eingefädelt, indem er eine bis zum Platzen mit Fakten gefütterte 700-seitige Studie über die deutsche Vertilgung der polnischen Hauptstadt im Zweiten Weltkrieg anfertigen ließ und eine Reparationsforderung von 54 Milliarden Dollar ganz groß an die Wand meißelte.

Viele Polen haben ein in Jahrhunderten angeschwollenes Misstrauen gegen alles, was nicht Polen ist. Seit Łech Kaczyński als Zwölfjähriger mit seinem Zwillingsbruder Jarosław für den Spielfilm „Von zweien, die den Mond stahlen“ (Titel für den internationalen Verleih: „O dwóch takich, co ukradli ksińńyc“) allerlei krumme Streiche ausheckte, ist ihm sogar der Mond näher als Deutsch- und Russland. Russland hatte Polen schließlich den Daumen des Kommunismus in den After gedrückt; und seit den Siebzigerjahren wollten beide Kaczyńskis den Sozialismus aus den Pantinen kippen.

1980 halfen sie, die zu zweit Rechtswissenschaft studiert hatten – Łech baute sogar seinen Doktor und avancierte zum polnischen Professor –, den streikenden Werftarbeitern in Danzig mit juristischen Hebeln. Łech, der bei seinem Studium von Recht und Gesetz irgendwas übersehen haben musste, wurde zwar 1981 verhaftet und saß ein Jahr bei verdünntem Wasser und mit Reißnägeln gebackenem Brot. Doch als 1989 der Kommunismus abgeräumt wurde und Łech Wałesa das Ruder übernahm, schlug auch für Łech Kaczyński die Uhr. Er spielte sich mithilfe seiner selbst gemachten „Zentrumsallianz“ ins Parlament, moppelte sich später als gelernter Juraprofessor durch und wurde im Jahr 2000 für wenige Monate ein kurzer Justizminister, der mit allen Gesetzen gewaschen war und sich auch keine schiefen Haare wachsen ließ, als ein Geschäftsmann mit dem zwielichtigen Namen Janusz Heathcliff Ivanovski Pineiro behauptete, die Brüder Kaczyński hätten bei der Eröffnung ihrer Zentrumsallianz Geld aus dem Staatshaushalt in den eigenen Sack gestopft.

Die Zentrumsallianz war ohnehin alter Schnee, denn die Kaczyńskis stellten einfach einen neuen Verein auf die Matte, die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Dank ihrer wird 2002 der ehrenwerte Łech großer Boss von Warschau. Der rechtschaffene Jarosław wiederum heimst 2005 die größte Kartoffel bei den Parlamentswahlen ein, verbeißt sich geschickt das Amt des Ministerpräsidenten und zaubert Kazimierz Marcinkiewicz aus der hohlen Hand. Łech aber greift nach dem höchsten Geweih der Macht und überführt den Präsidentenstuhl Ende 2005 in seinen Besitz.

Mit geballter Schubkraft wollen die Brüder nun die letzten lebenden Kommunisten aus Staat und Gesellschaft blasen. Zudem soll das Parlament über 100 Gesetze mit dem Kopf abnicken, ohne der Regierung mit Kritik auf die herrliche Nase zu treten. Vorbild der Kaczyńskis ist der Erfinder Polens von 1919, Josef Pilsudski, der 1926 die „gelenkte Demokratie“ entdeckte und dem halbfaschistischen Militärregime von 1935 die Bahn schmierte. Wie Pilsudski sind die Kaczyńskis Polen bis über beide Ohren, und das Vaterland sitzt ihnen wie angegossen. Dass die zwei vorn wie hinten sauber sind, haben sie bewiesen: Łech, der öffentliche Hinterteile an Warschaus Männern mehrmals verbot, mehr noch Jarosław, der mit der eigenen Mutter zusammenlebt – aber wenigstens ohne Trauschein. PETER KÖHLER