Pollenflug irritiert sogar Seehofer

Landwirtschaftsminister Seehofer hat das Gentechnik-Gesetz bisher nicht verschärft. Dabei sollte es eigentlich spätestens gestern fertig sein – zur Sommerpause des Parlaments. Doch die bäuerliche CSU-Basis hält nicht viel von Genmais

VON HANNA GERSMANN

Der Druck auf Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) kommt aus der Heimat: Sein Wahlkreis Ingolstadt-Eichstätt erklärt sich zur gentechnikfreien Region. Sein Wählerreservoir, der Bayerische Bauernverband, verdammt die Designer-Gewächse per Entschließung. Und CSU-Generalsekretär Markus Söder fordert ein „Moratorium für den kommerziellen Genmais-Anbau“. Nun zögert Seehofer.

Dabei wollte Seehofer den Genmais eigentlich hoffähig machen. So schnell wie möglich wollte er das restriktive Gentechnikgesetz der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung neu fassen. Seine Vorlage wurde spätestens für gestern erwartet – am letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause. Doch Seehofer hat seine Gentech-Novelle auf Herbst verschoben.

Grund für die Verzögerung: Genpollen können sich vom Acker machen. Bislang ist unklar, wer für die möglichen Schäden aufkommt. Die Saatgutindustrie weigert sich, in einen Haftungsfonds einzuzahlen. Seehofer klagt enttäuscht: „Die Wirtschaft beteiligt sich nicht.“ Zudem hat der Minister seine Einstellung geändert. Bei einer Gesprächsreihe mit Bauern, Forschern und Umweltschützern zweifelte er am „Sinn von Genmais“. Seehofer sieht neuerdings Risiken – offenbar auch für sich selbst.

High-Tech-Gewächse sind unpopulär: Rund 80 Prozent der Deutschen verschmähen sie. Auch Wissenschaftler sind skeptisch. Allerdings haben sie bisher weder für den Menschen noch die Umwelt Gefahren bewiesen. So hoffen Gentechnikfirmen, wie der US-Konzern Monsanto, die Abneigung noch zu kippen. Sie finden prominente Unterstützer – zum Beispiel Udo Pollmer. Der Lebensmittelexperte, in vielen Talkshows gefragt, hält die Ängste der Genkritiker für irrational. „Die Gentechnik ist nur eine besonders präzise Züchtung.“ Bisher würde das Erbgut radioaktiv bestrahlt, um Mutationen hervorzurufen. Die Eigenschaften der Pflanzen würden so lange verändert, bis zufällig eine gute Sorte herauskommt.

Beatrix Tappeser, Genexpertin beim Bundesamt für Naturschutz, weist diese Argumentation zurück – „sie ist alt und falsch“. Züchter arbeiteten, so die Wissenschaftlerin, schon lange nicht mehr mit Radioaktivität. Mittlerweile sei das Erbgut sehr gut entschlüsselt. Die Biologen müssten nur eine pilzresistente Pflanze herauspicken – und gezielt mit einer ertragreichen Art kreuzen.

Doch Udo Pollmer hat ein weiteres Argument pro Gentechnik parat: Genmais produziere ein Insektengift, „das auch Biobauern versprühen“. Tappeser kontert: „Nur der Ursprung ist derselbe“ – immer liefert der Bacillus thuringiensis das Gift. Aber: Das Bakterium sei nur in der Genpflanze aktiv, in der Biopflanze nicht. Grund: Die Gentechniker bauen das Erbgut des Bacillus in einen Mais ein. Das Gift, das so entsteht, wirkt, sobald die Pflanze gegessen oder gefressen wird. Die Biobauern hingegen spritzen den Bacillus in getrockneter Form. Erst im Darm der gefräßigen Raupe wird er aktiv – vorher nicht. Also auch im Menschen? „Nein, die Chemie passt nicht“, meint Tappeser, „der Magen ist zu sauer.“

Biomais hat mit Gentechnik nichts zu tun. Allein die Bauern können sich kaum vor der Gentechnik schützen. Das zeigen neue Studien aus Seehofers Heimat: Bei den Feldversuchen in Bayern flogen die Genpollen weiter als gedacht. 20 Meter breite Sicherheitszonen zu den nächsten Feldern halfen nicht. Das manipulierte Erbgut fand sich in der Umgebung wieder.

Minister Seehofer vertritt nun diese Devise: Forschen, nicht anbauen. Das gibt Streit: Die CDU, aber auch Teile der SPD, wollen Genäcker.