Gold für die Kleinen

Seit fünf Jahren engagiert sich Midas, die Vereinigung europäischer Minderheitenzeitungen, für eine Presse jenseits der Leitkulturen

VON SEBASTIAN KRÜGER

Am 1. September wird die kleine, linksliberale Neue Südtiroler Tageszeitung aus Bozen zehn Jahre alt. Ein kleines Wunder: Schließlich kassiert die katholisch-konservative Südtiroler Volkspartei (SVP) bei Provinzwahlen regelmäßig um die 80 Prozent der Stimmen. Ihr unverhohlenes Sprachrohr ist die Zeitung Dolomiten, bzw. umgekehrt: Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner charakterisierte sein Blatt einmal so: „Parteien halten sich Zeitungen, nur in Südtirol ist das anders, dort hält sich eine Tageszeitung eine Partei.“ 60 Prozent der ca. 480.000 Südtiroler lesen die Dolomiten. Ein linksliberales Konkurrenzblatt zu etablieren, galt deshalb als großes Wagnis.

Doch es gelang: Das nötige Geld schießen eine politisch aufgeschlossene Winzerfamilie zu und der italienische Staat – dank eines Mediengesetzes von 1990 werden die Zeitungen sprachlicher Minderheiten großzügig subventioniert. Und dann ist da auch noch Midas, die Vereinigung europäischer Minderheitenzeitungen („Minority Dailies Association“), die ihren Sitz ebenfalls in Bozen hat und die Neue Südtiroler Tageszeitung kräftig unterstützt.

29 Tageszeitungen aus ganz Europa gehören dem 2001 gegründeten Netzwerk mittlerweile an, darunter Serbske Nowiny aus Bautzen, die Tageszeitung der Lausitzer Sorben, oder Új Szó aus Bratislava, eine Tageszeitung der slowakischen Ungarn. Midas bietet seinen Mitgliedern redaktionelle und technische Hilfe, organisiert Austauschprogramme und Journalistenpreise. „Wir wollen den Zeitungsmachern der Minderheiten Selbstvertrauen geben, denn vielerorts werden ihre Rechte noch immer unterdrückt. Mit unabhängigem Qualitätsjournalismus verschaffen sie sich eine Stimme und tragen damit zur friedlichen Lösung von Minderheitenproblemen bei“, sagt Midas-Generalsekretär Günther Rautz.

Insgesamt benutzen laut Midas 45 Millionen Europäer eine andere Sprache als die dominierenden ihres Heimatlandes. Alteingesessene Minderheiten gibt es dabei in jedem europäischen Staat, nur ihre Größe variiert erheblich: Die norddeutschen Friesen zählen kaum mehr als 20.000, die Katalanen in Spanien über 7 Millionen. Neben Italien gilt auch Finnland als besonders gutes Beispiel für den Minderheitenschutz. „Ein Teil der schwedischsprachigen Finnen lebt auf den Ostseeinseln vor dem Festland. Dort genießen sie Rechte, von denen andere Minderheiten nur träumen können“, sagt Günther Rautz. „Finnen sind vom Grundstückserwerb ausgeschlossen, kein finnischer Soldat darf das Territorium betreten, und die schwedischen Blätter können völlig frei publizieren.“

Insbesondere Letzteres ist längst nicht überall in Europa der Fall. In Lettland etwa, wo vielen Angehörigen der russischen Minderheit noch nicht einmal die lettische Staatsbürgerschaft zuerkannt wird, ist die Produktion russischsprachiger Zeitungen stark eingeschränkt. Ein Grund, warum sich Midas vor Ort besonders für sein Mitglied Vest einsetzt.

Aus der Presselandschaft Südtirols ist die Neue Südtiroler Tageszeitung nicht mehr wegzudenken. Ein Team von zehn jungen Redakteuren und ebenso vielen freien Mitarbeitern gibt der alternativen Kultur eine Stimme, jenem Teil der Gesellschaft Südtirols, der von den Dolomiten bislang ignoriert wurde. Das Konzept der „Südtiroler taz“ wird von einem wachsenden Leserstamm geschätzt: Sie erscheint dienstags bis freitags mit einer Auflage von 12.000 Exemplaren, der Umfang der Samstagsausgabe, von der 20.000 Stück gedruckt werden, wurde kürzlich von 24 auf 32 Seiten erhöht. Eine klassische „Vollzeitung“ ist die Neue Südtiroler Zeitung trotzdem nicht: Der Sportteil und das Fernsehprogramm fehlen.