„Hartz IV löst nur Leid aus“

INTERVIEW JENS KÖNIG
UND HANNES KOCH

taz: Herr Werner, Deutschland hat gerade voller Überraschung festgestellt, dass an seinem sozialen Rand eine völlig neue Spezies lebt: die Unterschicht, angeblich alle faul und asozial. Wenn man denen nicht Hartz IV kürzt, kriegen die ihren Arsch nie mehr hoch, glauben viele. Richtig oder falsch?

Götz Werner: Falsch. Aber der Mensch denkt eben schlecht vom Menschen – nicht von sich selbst natürlich, sondern immer vom jeweils anderen. Wer sich jedoch über den anderen erhebt, der handelt im Prinzip unmenschlich. Von der Unterschicht ist man schnell beim Untermenschen.

Wer ist schuld an diesem Skandal der neuen Armut? Die Betroffenen selbst? Der Sozialstaat? Hartz IV?

Sagen wir mal so: Wir haben eher ein Oberschichtenproblem als ein Unterschichtenproblem in Deutschland. Die Oberschicht ist nicht in der Lage, gesamtgesellschaftlich zu denken. Sie setzt ihre intellektuellen Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten nicht so ein, dass sie dem Ganzen gerecht wird.

Union und SPD fordern, alle Arbeitsunwilligen härter zu bestrafen.

Wenn ich dem anderen Menschen keinen Freiraum gebe, wenn ich ihn drangsalieren und kujonieren will, dann werde ich ihm nicht gerecht. Das war doch eines der Ziele der Französischen Revolution: Gleichheit! Das heißt: einander auf Augenhöhe zu begegnen. Dem anderen die gleichen Stärken und Schwächen zuzubilligen wie mir selbst.

Viele Arbeitslose, so wird argumentiert, fordern für sich und ihre Kinder Hartz IV wie Gehälter.

Wir leben doch mittlerweile in einer Gesellschaft der totalen Fremdversorgung. Der moderne Mensch stellt nichts mehr selbst her, sondern kauft alles ein. Wer an dieser Gesellschaft teilnehmen will, ist darauf angewiesen, ein Einkommen zu beziehen. Jeder von uns braucht ein solches Stück Teilhabe. Das kann sehr bescheiden sein – aber ohne das geht nichts. Ich nenne das das sozioosmotische Prinzip: Wenn Sie das Wasser nicht mit ein bisschen Zuckerlösung anreichern, dann können Sie nicht den Zucker aus der Zuckerrübe holen.

Teilhabe als Menschenrecht?

Sie ist Voraussetzung für menschenwürdiges Leben. Artikel 1 des Grundgesetzes lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

SPD-Fraktionschef Peter Struck sagt, das Menschenbild, das Rot-Grün hatte, als es Hartz IV einführte, sei „vielleicht zu positiv“ gewesen.

Struck ist entweder zynisch, oder er macht sich über die Arbeitslosen lustig.

Unionsfraktionschef Volker Kauder behauptet, die Regierung müsse mehr von den Leuten verlangen. Von ihm zum Beispiel könne man, wenn er arbeitslos sei, erwarten, dass er abends in der Kneipe bediene.

Ja, ja, der Mensch muss parieren, er hat das zu machen, was die Obrigkeit, was der Angestellte der Arbeitsagentur von ihm verlangt. Mein Gott, was Politiker so reden! Das klingt nicht nach Demokratie, sondern nach Aristokratie. Wenn ich Politiker wäre, würde ich sagen: Sorry, Hartz IV habe ich mir ganz anders vorgestellt. Die Reform war ein Fehler. Volle Kraft zurück. Hartz IV löst doch nur menschliches Leid aus.

„Hartz IV ist offener Strafvollzug“, haben Sie einmal gesagt. „Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten. Hartz IV quält die Menschen, zerstört ihre Kreativität.“

Das gilt immer noch. Ist es das, was wir uns unter einer freiheitlichen Gesellschaft vorgestellt haben: dass die Behörden hinterherschnüffeln, wie die Arbeitslosen leben? Hartz IV verstößt gegen einen elementaren Grundsatz: Was du nicht willst, das man dir antut, das füg auch keinem andern zu. Mit Hartz IV werden die Menschen sozial ausgegrenzt. Es gehört abgeschafft.

Sozial ist, was Arbeit schafft, sagen die Politiker. Egal, wie die Arbeit bezahlt wird. Egal, ob die Arbeit zum Arbeitslosen passt. Ganz egal, ob überhaupt genug Arbeit da ist.

Die Politiker glauben immer noch an den Mythos der Vollbeschäftigung. Sie sind ganz benebelt davon. Aber Vollbeschäftigung ist eine Lüge.

Hängt nicht trotzdem einfach alles an der Erwerbsarbeit: Wohlstand, Identität, Selbstachtung, Zugehörigkeitsgefühl?

Nein! Dieses manische Schauen auf Arbeit macht uns krank.

Werden wir nicht krank, wenn uns die Arbeit entzogen wird?

Widerspruch! Wir haben kein Problem mit der Arbeitslosigkeit.

Bitte?

Wir haben ein kulturelles Problem. Zum ersten Mal nach über 5.000 Jahren Menschheitsgeschichte leben wir im Überfluss. Aber wir kommen mit dieser neuen Wirklichkeit nicht klar. Wir schaffen es nicht, dass alle Menschen davon profitieren und daran teilhaben.

Das erzählen Sie mal einem Arbeitslosen, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen ordentlichen Job.

Die Arbeitslosen haben wir nur, weil wir den Begriff der Arbeitslosigkeit verwenden. Die meisten so genannten Arbeitslosen haben ja Arbeit, sie liegen nicht den ganzen Tag auf der Couch und gucken Pro 7. Sie sind beschäftigt, in der Familie, in der sozialen Arbeit, im Sportverein. Sie tun wertvolle Dinge. Wenn sich jemand um seine Kinder kümmert, dann ist er für die Gesellschaft doch viel wertvoller, als wenn er in einer Fabrik Deckel auf die Flaschen dreht.

Reden Sie jetzt nicht über die Köpfe der Menschen hinweg, die darunter leiden, dass Sie ihre Arbeit verlieren und damit auch ihren inneren Halt?

Diese Menschen leiden darunter, dass sie nicht respektiert und anerkannt werden. Dass sie von der Gesellschaft stigmatisiert werden, weil sie angeblich nutzlos sind. Als Arbeit gilt nur das, was Werte schafft. Wenn eine Frau ihre drei Kinder großzieht, dann wird sie gefragt: Arbeitest du oder bist du zu Hause?

Arbeitsminister Franz Müntefering zitiert gern die Bibel und August Bebel: Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.

Müntefering ist ein paar hundert Jahre zurückgeblieben. Er lebt noch in der Selbstversorgungsgesellschaft, als alle gegen den Mangel gewirtschaftet haben. Damals galt: Wer seinen Acker nicht bebaute und sein Feld nicht bestellte, der war selbst daran schuld, wenn er nichts zu essen hatte. Jetzt leben wir in der Fremdversorgungsgesellschaft. Ich kann gar nicht für mich allein arbeiten. Immer wenn ich arbeite, arbeite ich für jemand anderen. Ich brauche also ein Einkommen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

Und jetzt kommen Sie und sagen: Es ist gut, wenn die Menschen nicht arbeiten müssen?

Ich sage: Wir brauchen kein Recht auf Arbeit, jedenfalls nicht auf weisungsgebundene, sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen ein Recht auf Einkommen. Auf ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Sie wollen jedem Menschen 1.500 Euro geben. Einfach so. Monat für Monat. Von der Geburt bis zum Tod.

Ja, man muss jedem Menschen Geld in die Hand geben. Ein Bürgergeld. Das Grundeinkommen muss so bemessen sein, dass jeder davon bescheiden, aber in Würde leben kann. Es muss mehr sein als ein Existenzminimum – eine Art Kulturminimum.

Die Regierung definiert den Hartz-IV-Regelsatz als ein soziokulturelles Existenzminimum. Das sind 345 Euro.

In Karlsruhe, wo ich wohne, kann man davon nicht leben. Anderswo in Deutschland auch nicht. Vielleicht in Simbabwe.

Sie setzen 1.500 Euro für dieses kulturelle Minimum an?

Nein. Diese 1.500 Euro habe ich in einem Interview einmal als Zukunftsvision ins Spiel gebracht. Die Einführung des Grundeinkommens geht natürlich nur schrittweise. Beginnen könnten wir mit 800 bis 1.000 Euro für jeden Bürger.

Für jeden das Gleiche?

Die Höhe könnte sich an einem Lebensbogen orientieren. Kinder könnten also zunächst einen geringeren Betrag bekommen.

Aber es gilt: keine Gegenleistung, keine Verpflichtung?

So ist es. Ein Grundeinkommen ohne jede Bedingung. Einfach als Ausdruck der Tatsache, dass jeder Mensch als Teil der Gemeinschaft anerkannt wird.

Die erste Lieblingsfrage aller Skeptiker lautet: Wer soll das bezahlen?

Das ist ein Totschlagargument.

Ihr Grundeinkommen könnte leicht ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands kosten, fast eine Billion Euro im Jahr.

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat gerade ein solches Modell durchrechnen lassen. Das „solidarische Bürgergeld“, ein Grundeinkommen von 800 Euro monatlich, das Thüringens CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus vorschlägt, würde demnach knapp 600 Milliarden Euro pro Jahr kosten – weniger, als der Staat heute für alle Sozialleistungen zusammen ausgibt.

Trotzdem bleibt die Frage: Woher soll dieses Geld kommen?

Aus Steuern.

Aha. Noch mehr Steuern.

Nein. Ich bin für eine sehr einfache Lösung. Alle Steuern weg, bis auf eine: die Mehrwertsteuer. Sie ist die einzige Steuer, die sinnvoll und gerecht ist.

Wie hoch soll sie sein?

Viel höher als heute. Vielleicht 50 Prozent.

Das müssen Sie erklären.

Der Sinn der Wirtschaft besteht doch darin, den Menschen Einkommen zu ermöglichen, indem Waren für den Verbrauch hergestellt werden. Im Gegensatz zu früher leben wir heute nicht mehr in einer Mangelwirtschaft. Wir stellen Waren im Überfluss her. Deshalb sollten wir den Verbrauch zur alleinigen Basis der Steuer machen. Nicht wer etwas leistet, sondern wer Leistungen anderer in Anspruch nimmt, soll Steuern zahlen. Also alle Steuern abschaffen – außer der Mehrwertsteuer.

Das soll gerecht sein? Warum wollen Sie Wohlhabende und Reiche zum Beispiel von der Einkommen- und Gewinnsteuer entlasten?

Weil die Reichen ihre Einkommen auch konsumieren – und damit ebenfalls die hohe Mehrwertsteuer zahlen würden. Oder sie investieren ihre Einkommen, was aber auch wieder zusätzlichen Konsum hervorruft. Am Ende landen Sie immer beim Verbrauch und damit bei der idealen Basis der Steuer.

Jeder zahlt Steuern entsprechend seiner Leistungsfähigkeit – das Prinzip würden Sie umstandslos entsorgen.

Warum das denn? Man kann die Mehrwertsteuer sozial gestalten. Einen sehr hohen Steuersatz für Luxusgüter, einen niedrigen für Güter des täglichen Bedarfs. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen und der Konsumsteuer würde Deutschland ein Investitionsparadies werden, das Arbeit nur so anzieht und viele Arbeitsplätze schafft.

Die zweite Lieblingsfrage aller Skeptiker lautet: Wieso soll der Mensch wider seine Natur handeln und seiner Faulheit nicht freien Lauf lassen, wenn er genug Geld zum Leben hat?

Ich frage die Skeptiker immer zurück: Würden Sie selbst aufhören zu arbeiten? Dann antworten sie: Ich doch nicht, ich arbeite aus Begeisterung. Dass sich die Menschen auf die faule Haut legen würden, nehmen wir nur vom anderen an.

Vielleicht reden Sie nur mit den falschen Leuten.

Nein, nein. Die meisten Menschen tragen seltsamerweise zwei Menschenbilder in sich – eines von sich und eines von den Mitmenschen. In dem ersten, spirituellen Bild ist der Mensch ein mit Vernunft und Freiheit begabtes Wesen. In dem zweiten, materialistischen Bild gleicht der Mensch eher einem Tier, da erscheint er als determiniertes Reizreaktionswesen. Diese Vorstellung spiegelt sich in dem Satz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Und Sie glauben daran, dass in Ihrer schönen Grundeinkommenswelt alle Menschen freiwillig arbeiten?

Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen billigen wir jedem den Raum zu, in dem er in eigener Verantwortung die Arbeit ergreift, die er für notwendig und sinnvoll erachtet. Wir werden arbeiten, weil wir einen Sinn darin sehen – nicht, weil wir dazu gezwungen sind. Ist nicht erst das eine freie Gesellschaft, in der jeder Verzicht üben kann? In der jeder die Freiheit hat, Nein sagen zu können zu entwürdigenden Bedingungen? Befreit von ihren Existenzsorgen könnten die Menschen ihre Talente entfalten.

Das klingt ein bisschen wie das Paradies.

Sie glauben mir nicht. Aber mit dem Grundeinkommen zu leben wäre nicht so einfach.

Warum nicht?

Weil es keine Ausreden mehr gibt. Die ganzen Opferrollen, in denen wir es uns gemütlich gemacht haben, funktionieren nicht mehr. Sie können nicht mehr sagen, Sie machen den Job nur, weil Sie das Geld brauchen, Sie bleiben nur deswegen bei Ihrem Mann, weil Sie von seinem Einkommen abhängig sind …

Was würden wir mit einem Grundeinkommen gewinnen?

Würde und Sicherheit – und Macht. Wir könnten einem Arbeitgeber sagen, dass wir bei ihm nicht mehr arbeiten wollen, weil er die Umwelt verschmutzt oder weil er seine Angestellten mies behandelt. Was glauben Sie, wie ein solches Grundeinkommen die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft entfesselt.

Aber wird es nicht immer Menschen geben, die nicht arbeiten wollen?

Die gibt es auch heute schon, und die bekommen trotzdem ihr Geld vom Staat – sie müssen nur die Repressionen der Sozialbehörden über sich ergehen lassen. Die Menschen, die heute nicht arbeiten, werden auch in Zukunft nicht arbeiten.

Wenn man heute Hauptschüler fragt, was sie einmal werden möchten, antworten nicht wenige: Ey, Alter, ich will Hartz IV werden. Was passiert mit diesen jungen Menschen, wenn sie plötzlich ein Grundeinkommen erhalten?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das wird sich herausstellen. Aber die Gesellschaft hat die Aufgabe, mit jungen Menschen so umzugehen, dass sie den Einstieg ins Leben als attraktiv empfinden.

Und attraktiv heißt, die jungen Leuten bekommen ihren Schotter, und man lässt sie in Ruhe?

Nein. Sie müssen einen Sinn in ihrem Leben finden, sie müssen sich Lebensziele setzen.

Dass junge Menschen heute Hartz IV als Berufswunsch angeben, hat auch mit der Gleichgültigkeit ihrer Eltern zu tun.

Merken Sie das Problem an Ihrer Frage? Die jungen Leute sagen doch nur deswegen, sie wollen Hartz IV werden, weil auch ihre Eltern auf Hartz IV sind. Gäbe es Hartz IV nicht, hätten sie automatisch ein anderes Lebensziel. Gäbe es ein Grundeinkommen, würden sie sehen, dass sich ihre Eltern frei entscheiden können, wie sie ihr Leben verbringen wollen. Der junge Mensch sucht sich seine Ideale. Hartz IV ist doch nicht das Matterhorn, das er erklimmen will.

Wer macht in Ihrer Welt die Arbeit, die keiner machen will? Wer fährt von Laden zu Laden und klopft für ein paar Euro die Fußmatten aus?

Möglicherweise müssen unangenehme Jobs höher bezahlt werden. Aber im Prinzip läuft es dann wie heute auch schon. Ein Beispiel: Wenn Sie wollen, dass morgens um fünf Uhr Ihre Zeitung ausgetragen wird, haben Sie immer nur drei Möglichkeiten. Erstens: Sie machen diese Arbeit so attraktiv, dass andere sie ausführen. Zweitens: Sie lassen die Arbeit durch Maschinen erledigen. Oder drittens: Sie machen sie selbst. Mit einem Grundeinkommen gäbe es jedoch einen gravierenden Unterschied: Die Arbeit würde freiwillig erledigt. Nicht mehr das Einkommen stünde im Vordergrund, sondern der Sinn der Arbeit. Das würde die volkswirtschaftliche Effizienz gewaltig steigern.

Sie sind ein Träumer.

Wer keine Träume hat, kann sein Leben nicht gestalten. Wer ein Haus bauen will und es sich vorher nicht erträumt, bekommt nur ein Nullachtfünfzehn-Haus.

Sie haben gut reden. Sie besitzen über 1.700 Drogeriegeschäfte, Sie erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro. Sie gehören zu den 500 reichsten Deutschen.

Das stimmt nicht. Natürlich wollte ich früher, wie fast alle Unternehmer, immer mehr und mehr. Heute dagegen steht bei mir die Sinnmaximierung im Vordergrund.

Sie sehen die Welt mit anderen Augen?

Ich habe die Klassiker gelesen, Goethe, Schiller. Ich begriff, dass nicht mein eigener Erfolg wichtig ist. Ich will anderen zum Erfolg verhelfen. Es geht nicht ums Geschäft, es geht immer um den Menschen. Ich versuche, ihn so zu nehmen, wie er gern wäre.

„Nichts ist so stark wie die Idee, deren Zeit gekommen ist“, sagen Sie.

Sagt Victor Hugo. Ich zitiere ihn nur.

Ist die Zeit reif für Ihre Idee?

Zumindest wird endlich darüber diskutiert. Bis vor zwei Jahren war das etwas für ein paar Fachleute. Wenn ich heute Vorträge halte, sind die Säle voll.

Was hat sich da geändert?

Die alten politischen Parolen haben mit der Welt, in der die Menschen leben, nichts mehr zu tun. Trotz temporärer Erfolgsmeldungen wächst die Arbeitslosigkeit, das ungebremste Wachstum schädigt unsere Ressourcen. Selbst wenn Angela Merkel jeden Morgen riefe „Vollbeschäftigung ist machbar“ – niemand würde ihr mehr glauben.

Selbst in den Parteien, und zwar von ganz links bis rechts, findet das bedingungslose Grundeinkommen bereits Anhänger. Warum ist das so?

Weil es gleichzeitig die radikalste Form des Sozialismus und die radikalste Form des Kapitalismus ist. Nach einem meiner Vorträge schrieb mir ein Zuhörer: „Ihr Grundeinkommensmodell hat mein sozialistisches Herz mit meinem neoliberalen Verstand versöhnt.“