Stimme der konservativen Muslime
: KOMMENTAR VON DANIEL BAX

„Die Muslime“ in Deutschland müssten mit einer Stimme sprechen. Dieser Anspruch ist alt. Er stammt von deutschen Politikern, die sich einer verwirrenden Vielzahl von muslimischen Verbänden gegenübersahen, die sich nicht selten zerstritten zeigten. Doch nun haben sich die wichtigsten dieser Verbände endlich zusammengerauft und einen „Koordinierungsrat“ gegründet, der in wichtigen Fragen als Ansprechpartner dienen soll. Das ist ein weiterer Schritt auf dem langen Weg zur rechtlichen Gleichstellung des Islam in Deutschland.

Natürlich repräsentiert dieser Koordinationsrat nicht alle Muslime – wie auch die Gewerkschaften nicht alle Arbeitnehmer und die Kirchen nicht alle Christen vertreten. Die Mehrheit der Muslime gehört keinem Moscheenverband an; die meisten Zuwanderer aus muslimischen Ländern wie der Türkei sind noch nicht einmal besonders religiös und gehen auch eher selten in die Moschee.

Aber die vier großen Verbände, die sich nun zusammengetan haben, stehen für die Mehrheit der knapp 2.900 Moscheengemeinden. Sie repräsentieren damit zumindest jenes gute Viertel aller Muslime, die sich als „sehr religiös“ bezeichnen würde und sich einer dieser Gemeinden verbunden fühlt.

Wenn diese künftig mit „einer Stimme“ sprechen, dann wird es dabei auch um wichtige Fragen gehen: Wer soll künftig islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen veranstalten? Und wer für „die Muslime“ einen Sitz im Rundfunkrat einnehmen? Für all diese Fragen braucht die deutsche Politik nach dem deutschen Staatskirchenrecht einen Ansprechpartner auf muslimischer Seite. Nun hat sie ihn.

Dass der neue Koordinierungsrat den eher konservativen Teil der Muslime vertritt, ist kaum zu vermeiden und auch nicht so tragisch. Schließlich geht es um jene Muslime, denen etwa die religiöse Erziehung ihrer Kinder am Herzen liegt. Und ist es nicht besser, wenn diese ihre Kinder in einen islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen schicken – als in Korankurse, die keinerlei Kontrolle unterliegen?

Der Koordinierungsrat löst längst nicht alle Integrationsprobleme. Aber die sind ohnehin meist nicht religiöser, sondern sozialer Natur.