SPD schielt nach rechtem Rand

Zwei SPD-Abgeordnete verärgern die Genossen mit Forderungen nach härteren Zuwanderungsregelungen. Fraktionskollegen empört über „Stammtisch“-Niveau

Für Torsten Hilse und Ralf Hillenberg ist die Sache mit der Einwanderung ganz einfach: „Zuwanderung muss die Probleme unserer Gesellschaft verringern und darf sie nicht erhöhen.“ Diese und weitere Weisheiten haben die beiden SPD-Abgeordneten, die dem parteirechten Kreis „Berliner Mitte“ angehören, auf drei Seiten eines Thesenpapiers gebannt. Selbst Fraktionskollegen wissen nicht, was sie stutziger machen soll: der rechte Tonfall der Thesen oder deren Faktenwidrigkeit.

Mit Blick auf die Entstehung von Parallelgesellschaften konstatieren Hilse und Hillenberg: „Familienzusammenführung muss nicht ausschließlich in Deutschland stattfinden.“ Als fiktives Beispiel führen sie einen türkischen jungen Mann an, der in zweiter Generation hier lebt, die deutsche Sprache aber nicht beherrscht und weder Schulabschluss noch Arbeit nachweisen kann. Falls dieser „für ein 14-jähriges Mädchen den Nachzug beantragt, weil er sie in Deutschland heiraten möchte, sollte diesem Ansinnen nicht nachgegeben werden“.

Die Vizefraktionschefin der SPD, Dilek Kolat, überraschen die Forderungen ihrer Kollegen: „Die beiden Herren haben offensichtlich Änderungen bei der Integrationspolitik nicht zur Kenntnis genommen.“ Erst vor zwei Monaten verabschiedeten Bund und Länder das geänderte Zuwanderungsgesetz. Unter anderem verbietet es den Nachzug minderjähriger Familienangehöriger, um so genannte Zwangsheiraten zu verhindern.

Die beiden SPD-Parlamentarier fordern zudem, Zuwanderer sollten sich dem „europäischen Wertekanon verpflichtet fühlen“. Hingegen schwächten Menschen die hiesige Gesellschaft, „die nach Deutschland kommen und Sozialleistungen in Anspruch nehmen, sich dem kulturellen Wertesystem kritisch bis ablehnend gegenüber verhalten und dieses offen oder unterschwellig demonstrieren. Diesen Menschen, egal woher sie kommen, ist die Zuwanderung zu verwehren.“ Für Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat ist das Populismus: „Wie sieht eine ‚unterschwellige‘ Demonstration von Kritik aus? Es lässt sich die Einhaltung von Gesetzen fordern, nicht die Liebe zu vage definierten kulturellen Werten.“

Auch die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Susanne Kitschun, zeigt kein Verständnis für die Forderungen: „Das hat was von Stammtisch“, urteilt die Parteifreundin. Vor allem eines verwundert Kitschun: Seit Ende 2006 leitet sie eine fraktionsinterne Arbeitsgruppe für Integrationspolitik. Hilse und Hillenberg hätten sich dort bislang nicht blicken lassen.

MATTHIAS LOHRE