michael moore etc.
: Auch linke Kritik kann fehlgehen

Kritik an Michael Moore kommt für gewöhnlich aus rechten Kreisen. In den USA gehen Filme wie „Michael Moore Hates America“ (Regie: Mike Wilson, 2004) oder Websites wie www.moorewatch.com und moorelies.com akribisch jeder Manipulation Moores nach; sie geben sich viel Mühe, dessen vermeintlichen Mangel an Patriotismus zu belegen und ihn der Lüge zu bezichtigen.

Seit kurzem kommt Kritik auch von links, um genau zu sein: von zwei sich selbst als links definierenden kanadischen Filmemachern, Debbie Melnyk und Rick Caine. Mit ihrem Film „Manufacturing Dissent“ wollen sie den erfolgreichen Regisseur bloßstellen. Dabei rücken sie ihr vergebliches Ansuchen um ein Interview mit Moore in den Mittelpunkt – genau wie Moore dies in „Roger and Me“ (1989) tat, einer Dokumentation über den Niedergang der Automobilindustrie in seinem Geburtsort Flint, Michigan, in der Moores vergebliches Ansuchen um ein Interview mit General-Motors-Vorstand Roger Smith eine wichtige Rolle spielte. So wie Smith sich damals keine Zeit für Moores Fragen nahm, so will sich Moore heute nicht mit Melnyk und Caine auseinandersetzen.

Darüber hinaus tragen Melnyk und Caine allerlei belastendes Material zusammen. Sie finden heraus, dass Moore das Interview mit Roger Smith, anders als „Roger and Me“ behauptet, sehr wohl führte. Die Bank, die dem Neukunden Moore in „Bowling for Columbine“ scheinbar umstandslos ein Gewehr überreicht, tut dies in Wirklichkeit erst nach sorgfältiger Prüfung. Ehemalige Mitstreiter und Aktivisten beklagen sich über Moores unsolidarisches Verhalten. Und ein Kritiker der Zeitschrift Film Comment, suggerieren Melnyk und Caine, habe seine Stelle verloren, weil er ein konfrontatives Interview mit Moore veröffentlicht habe. Als Melnyk den Film kürzlich bei den Visions du Réel im schweizerischen Nyon präsentierte, antwortete sie auf die Frage aus dem Publikum, ob der Journalist tatsächlich des Interviews wegen gehen musste: Ja, das glaube sie schon. Schließlich sei Film Comment die Zeitschrift des New Yorker Lincoln Centers, das auch die Filme Moores zeige.

„Manufacturing Dissent“ folgt also einer ähnlichen Logik des Verdachts und der Spekulation, wie man sie aus Moores Arbeiten kennt. Noch dazu sieht er einem Moore-Film ziemlich ähnlich, ohne freilich dabei dessen Pointiertheit zu erreichen. Er reiht in recht stürmischer Folge ein Detail ans nächste, und es dauert nicht lange, bis man unter all den Talking Heads und in der wirren Montage die Übersicht verloren hat. Interessant ist daran einzig eine These. Den riesigen Erfolg Moores erklären sich Melnyk und Caine mit dem desolaten Zustand der US-amerikanische Linken. Wäre die in besserer Verfassung, sie hätte eine populistischen Führerfigur wie Moore nicht nötig. CN