sportgeschichte: "Für Nazis war Hertha unattraktiv"

Hertha BSC war kein Hort des Nazismus, dafür war der Verein zu arm und zu erfolglos, sagt der Historiker Daniel Koerfer. Er untersucht im Auftrag des Vorstands die Vereinsgeschichte.

Das Olympastadion: Einst Spielstätte der Nazis, heute Heimstatt der Hertha Bild: AP

taz: Herr Koerfer, im Auftrag von Hertha BSC Berlin untersuchen Sie die Geschichte des Vereins zwischen 1933 und 1945. War Hertha BSC ein so genannter "Naziverein"?

Daniel Koerfer: Das sicher nicht oder besser zu 95 Prozent nicht. Natürlich, man passte sich auch bei Hertha BSC ab 1933 an, war von den raschen Erfolgen des "Führers" beeindruckt, dem braunen Regime gegenüber loyal. Aber es finden sich nur an ganz wenigen Stellen in den Vereinspapieren Spurenelemente des NS-Rassenantisemitismus. Erst später, nach dem Überfall auf die Sowjetunion, wird der Ton dann härter, erstaunlicherweise aber ohne jeden antisemitischen Zusatz. Das ist das wirklich Überraschende an meiner bisherigen Recherche: Hertha BSC war nationalsozialistisch längst nicht so aufgeladen wie von vielen befürchtet.

Was machte den Verein denn relativ immun gegen die herrschende Ideologie des Nationalsozialismus?

Den ersten Spatenstich hat Vereinspräsident Bernd Schiphorst schon hinter sich - wenn auch nur symbolisch, in der Cinemathek am Potsdamer Platz. Da soll das Haus nicht hinkommen, dafür hat es aber schon einen Namen. "Hertha BSC-Museum" soll das neuste Projekt von Berlins Fußballbundligisten heißen. Für den wenig verwegenen Namen entschieden sich kürzlich die Fans bei einer Abstimmung im Internet. In einem Jahr, so der Plan, können die Fans dann auch das Ausstellungsgebäude besuchen.

Nur wo es stehen soll, diese nicht unerhebliche Frage ist bislang nicht geklärt. In den letzten Tagen ist dem Club ein Gebäude auf dem Olympiagelände in Aussicht gestellt worden. Schiphorst sagt, man müsse sich die Räumlichkeiten noch ansehen und auf mögliche Sanierungskosten hin überprüfen. Aber grundsätzlich gilt das Areal rum um das Vereinsgelände als Wunschstandort von Hertha. Hier, so Schiphorst, könnte er sich das Museum als Teil einer touristischen Rundtour vorstellen. Das Olympiastadion sei ja ein gefragtes Ziel von Berlinbesuchern.

Das Museum solle der Fangewinnung und Fanbindung dienen, erklärt Schiphorst. Eine Mitgliederbefragung im letzten Jahr ergab, dass der Wunsch nach Traditionspflege groß ist. Dies hat die Museumsplanungen beschleunigt. Einige Hertha-Anhänger haken aber auch via Internet kritisch nach, was man denn eigentlich ausstellen will. Was der Verein gewonnen hätte, würde schließlich auch in eine Besenkammer passen. Nur zwei Mal wurde der Verein Deutscher Meister: 1930 und 1931. Zum Pokalsieger reichte es nie.

"Wir dürfen nicht in den rituellen Reflex verfallen, Museen als etwas Andächtiges zu betrachten", entgegnet Schiphorst. "Wir beabsichtigen nicht, eine Trophäe neben die andere zu stellen. Ins Hertha BSC-Museum müssen Animation, Videos und Multimediaeffekte rein."

Auf dieses Handwerk versteht sich Schiphorst. Viele Jahre bekleidete er eine Führungsposition bei dem Medienkonzern Bertelsmann. Deshalb hat er auch gerne dieses Projekt unter seine Fittiche genommen.

Vereinsmuseen sind in der Fußballbundesliga im Kommen. Schalke 04 machte im Jahre 2001 den Anfang. Bremen und Hamburg folgten. In Berlin, Dortmund und Frankfurt laufen derzeit die Planungen. Für Schiphorst erfolgt diese Rückbesinnung auf die eigenen Traditionen nicht zufällig: "Dem globalisierten Fußballmarkt müssen wir ein paar lokale Elemente entgegensetzen. Und dafür ist unter anderem so ein Museum ein gutes Instrument."

Die dunklen Vereinskapitel will man bei Hertha dabei nicht ausblenden, sondern abschließend behandelt wissen. Man hat den Historiker Daniel Koerfer beauftragt, die Rolle von Hertha in der Zeit des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Schiphorst erläutert: "Ich möchte die NS-Vergangenheit so komplett aufgearbeitet wissen, dass es keine weiteren Fragen mehr gibt. Ich hoffe, dass wir dann einen Strich unter dieses Kapitel ziehen können."

Welchen Stellenwert und Raum dieser Teil der Hertha-Geschichte einnehmen wird, vermag Schiphorst noch nicht zu sagen. Man könne erst über die Konzeption des Museums sprechen, wenn die Studien beendet und die Entscheidung über den Standort gefallen seien. All dies ist auch für die potenziellen Sponsoren interessant. Denn die muss der Club zur Finanzierung des Museums erst noch gewinnen. JOHANNES KOPP

Hertha war schon damals in der Grundstruktur ein Verein des Arbeitermilieus und ein Klub der kleinen Leute. Ein kleiner Verein mit engem Zusammenhalt, dessen nur rund 400 Mitglieder der NSDAP zunächst eher skeptisch gegenüberstanden. Es gab nur zwei oder drei "Alte Kämpfer", also Leute, die vor 1933 schon in die Partei eingetreten waren. Hertha hatte zudem in der Zeit von 1933 bis 1945 nur Fußball und Kegeln im Angebot, ein Verein mit geringem Glamour-Faktor also. Für Nazibonzen, die SS-Elite - mit ganz wenigen Ausnahmen - oder hohe NSDAP-Funktionsträger war die Hertha damals eher unattraktiv.

Ein ausgewiesener Hort des Widerstands war Hertha BSC aber auch nicht.

Natürlich nicht. Hertha gratulierte in Anzeigen dem "Führer" zum Geburtstag oder machte Propagandareisen ins Ausland. Ein Sammelort, eine "Nische" für Regimegegner der Nazis war der Klub also nicht. Die allermeisten Mitglieder wollten bis weit in den Krieg hinein vor allem Fußball spielen. Der beste Hertha-Spieler dieser Jahre, Hanne Sobek, der 1940 in die NSDAP eintrat, lobte in seinen Fußballromanen "Hinein" oder "Magnet Fußball" 1937/1938 ausdrücklich die "Sportkameradschaft" mit Polen oder Engländern. Das entsprach nicht gerade der Linie des Regimes. Manchmal wurde bei Vorstandsreden am Ende die Floskel "Heil Hitler" weggelassen. Oder: Dass der bis 1933 amtierende Hertha-Präsident Wilhelm Wernicke, ein Sozialdemokrat, noch weiter im Verein maßgeblich mitarbeitete, habe ich so nicht erwartet.

Gab es besondere Schwierigkeiten bei Ihrer Recherche?

Die bestimmenden Leute des Vereins aus dieser Zeit sind mittlerweile fast alle tot. Zeitzeugengespräche konnte ich also nicht mehr führen. Meine wichtigste und zugleich ergiebigste Quelle waren die mehrfach jährlich erscheinenden "Hertha BSC-Nachrichten". Dazu gibt es noch das "Hertha-Gedächtnis", die beiden Spezialisten Harald Tragmann und Harald Voss, die privat sehr viel über die Vereinsgeschichte gesammelt haben. Der Verein selbst hat so gut wie nichts mehr. Das meiste Archivmaterial ging entweder verloren oder wurde durch Bomben im Krieg vernichtet.

Gibt es Kontinuitäten aus der Nazizeit, die den Verein noch heute prägen?

Starke Jugendarbeit. Arm, aber leider nicht so sexy. Früh aus dem Pokal rausfliegen - Kontinuitäten von einst bis heute. Nach 1945 wurde der Verein aber erstmal von den Siegermächten aufgelöst. Vier Jahre später kam es dann zur Wiederbegründung - mit einer weitgehend neuen Vereinsspitze. Wichtigste Kontinuitätsfigur ist Hanne Sobek, der sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg stark für den Verein einsetzte und später sogar Trainer wurde.

Hat die Hertha-Vereinsführung Einfluss auf Ihre Arbeit genommen?

Der Vorstand hat mir von Anfang an deutlich signalisiert, alles zu veröffentlichen, was ich finde. Da sollte erst gar nicht der Verdacht aufkommen, hier würde etwas vertuscht.

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