Internettelefonie: "Ein Spähprogramm ist nicht nötig"

Computerexperten sind sich einig: Um Internettelefonate abzuhören, braucht es gar keine Trojaner.

Skype und Mutterkonzern ebay geben zu, mit Behörden zusammenzuarbeiten, sagt CCC-Sprecherin Kurz. Bild: ap

BERLIN taz Computerexperten gehen davon aus, dass Sicherheitsbehörden für das Abhören verschlüsselter Internettelefonate gar keinen Trojaner brauchen. "Technisch ist es für die Behörden viel sinnvoller, direkt bei Unternehmen wie Skype nach den verdächtigen Inhalten zu fragen", sagt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club, "ein Spähprogramm ist dafür gar nicht notwendig."

Die Vorteile für die Polizei lägen auf der Hand: "Wenn es keinen Trojaner gibt, vermeidet man auch das Risiko, dass dieser entdeckt wird." Nach Vorstellung von Kurz und anderen Experten des Clubs kann beispielsweise der Skype-Konzern auf Nachfrage den Sicherheitsbehörden entweder verraten, wie das Gespräch zweier Verdächtiger zu entschlüsseln ist. Oder Skype kann dies selbst tun und dann den entschlüsselten Inhalt der Polizei übermitteln. Dass die Firma damit ein Problem hat, glaubt Kurz nicht: "Sowohl der Mutterkonzern Ebay als auch Skype selbst sagen offen, dass sie mit den Behörden zusammenarbeiten."

Tatsächlich schreibt Skype in seinen Datenschutzrichtlinien, dass "Kommunikationsinhalte" dann weitergegeben würden, wenn der Konzern "unter der anwendbaren Gesetzgebung dazu verpflichtet ist oder von zuständigen Behörden dazu aufgefordert wird".

Mit diesen "Kommunikationsinhalten" könnten zwar auch die Gespräche von Computern per Skype ins Festnetz gemeint sein, die aus technischen Gründen leichter abhörbar sind. Doch ein Gutachten aus dem vergangenen Jahr gibt Constanze Kurz und dem Chaos Computer Club recht. Philippe Biondi und Fabrice Desclaux, zwei Forscher der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS), hatten Skype auf Sicherheitslücken untersucht. Ihr Fazit: Skype sei zwar ein relativ sicheres Programm, aber der Konzern sei natürlich in der Lage, Skype-Telefonate zu entschlüsseln und abzuhören.

Das ist deshalb brisant, weil die Befürworter von Telefontrojaner und Online-Durchsuchung stets damit argumentieren, man brauche Spähprogramme, um Verdächtige zu überwachen. Erst wenn so ein Programm im Rechner eines Verdächtigen installiert sei, könne der Trojaner dessen Gespräche mithören, bevor diese verschlüsselt würden. Bei Skype direkt nachzufragen sei für die Polizei dagegen aus zwei Gründen sinnlos: Erstens unterhalte das Unternehmen keinen zentralen Rechner, über den die Gespräche laufen. Daher gebe es auch keine Stelle, von der aus die Internettelefonate abgehört werden könnten. Zweitens würden die Gespräche mit einer riesigen Bandbreite an möglichen Verschlüsselungen geheim gehalten. Skype sei gar nicht in der Lage, aus dieser Menge die eine benötigte Verschlüsselung für ein bestimmtes Gespräch herauszufinden und dessen Inhalt auf diese Weise zu belauschen.

"Wir wissen, dass vor allem Abgeordnete mit dieser Argumentation überzeugt werden sollen, dass ein Trojaner notwendig ist", sagt Kurz, "aber sie werden dadurch irregeführt." Markus Beckedahl vom Bürgerrechtsblog Netzpolitik.org hält es für "absurd zu glauben, dass ein Kommunikationsanbieter nicht auf die Inhalte der über ihn geführten Gespräche zurückgreifen kann". Von Skype und Ebay war dazu am Sonntag keine Stellungnahme zu erhalten. Mit dem Skype-Beispiel wollen Bürgerrechtler nach Informationen der taz auch diese Woche vor dem Bundesverfassungsgericht argumentieren. Tenor: Der Trojaner sei nicht notwendig, es gebe andere Überwachungsmöglichkeiten. Karlsruhe beginnt am 10. Oktober die Rechtmäßigkeit des Gesetzes über Onlinedurchsuchungen in Nordrhein-Westfalen zu prüfen.

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