Straßenbahnausbau: BVG erschüttert Wissenschaft

Rot-Rot beschließt den Bau der Straßenbahn nach Adlershof. Forscher fürchten, dass Vibrationen Messgeräte stören.

Die rumpelt richtig: Straßenbahn in Lissabon Bild: ap

Sie kommt spät, aber ab 2011 soll sie endlich fahren: Der Senat wird die Straßenbahn zum Wissenschaftsstandort Adlershof doch noch bauen. Das kündigte Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestern an. "Der Standort entwickelt sich sehr positiv. Die Situation gebietet es, die Bahn zu bauen." Belege dafür seien etwa die Ansiedlung des Campus der Humboldt-Universität, der Zuzug neuer Technologieunternehmen und die Entwicklung eines Einfamilienhausgebietes mit 340 Häusern.

Mit dem Beschluss hat der rot-rote Senat in letzter Minute gehandelt: Die Planfeststellung erfolgte bereits 2002, nach fünf Jahren läuft sie aus. Die 1,5 Kilometer lange und 9,9 Millionen Euro teure Linie wird vom S-Bahnhof Adlershof über die Rudower Chaussee und die Max-Born-Straße führen. Ob sie sich rechnet, ist mehr als fraglich. Junge-Reyer weicht der Frage aus und begründet den Bau vor allem mit dem "verkehrspolitischen Auftrag, wichtige Stadtgebiete zu erschließen." Auch bei der BVG ist man vorsichtig: "Die Strecke ist nicht per se wirtschaftlich", sagt Sprecherin Petra Reetz. "Die Auslastung wird saisonbedingt schwanken und am Wochenende niedriger liegen - Adlershof ist vor allem ein Arbeitsort." Bis Ende des Jahres will das Unternehmen Leitungsmasten aufstellen, dann den Bau per Ausschreibung vergeben.

Nicht alle in Adlershof sind glücklich über die Bahn. Zwei Institute der Humboldt-Universität - das für Chemie und das für Kristallzüchtung - liegen direkt an der Max-Born-Straße. Die Forscher fürchten, dass die vorbeirasselnde Bahn Vibrationen und elektromagnetische Wellen erzeugt, die die hochempfindlichen Versuchsgeräte stören - zum Beispiel Anlagen für die Züchtung kleinster Kristalle oder Elektronenmikroskope.

"Die Mikroskope arbeiten mit einer Auflösung, mit der man Abstände zwischen Atomen sichtbar machen kann - die kleinste Erschütterung verfälscht das Bild", sagte Professor Klaus Jacobs vom Institut für Kristallzüchtung. Es gehe um "Wissenschaftshygiene": "Ich baue ja auch keine Kläranlage neben ein Krankenhaus." Die Wissenschaftler legten ihre Bedenken in den vergangenen Wochen in Briefen an Junge-Reyer ausführlich dar, ihr Kompromissvorschlag - die Führung der Bahn nur bis zur Rudower Chaussee - wurde aber nicht erhört.

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