Kreuzberger ketten sich um Kanal

Keine Macht den Äxten: Rund 1.000 Menschen demonstrieren am Landwehrkanal gegen willkürliche Baumfällungen. Der Protest wird immer größer – und globaler. Eine Fortsetzung ist schon in Planung

VON VEIT MEDICK

Dass die Menschenkette nicht den kompletten Landwehrkanal umgab, wie es die Veranstalter erhofft hatten, störte am Ende niemanden mehr. Immerhin hatten sich am Samstag trotz Freibadtemperaturen rund 1.000 Kreuzberger zwischen Admiralbrücke und Kottbusser Brücke eingefunden, um Hand in Hand gegen die Baumfällungen an ihrem Kanal ein Zeichen zu setzen. „Das war doch wirklich toll“, freute sich Arno Paulus, Sprecher des Aktionsbündnisses Bäume am Landwehrkanal. „Mitten in den Ferien die Menschen zu mobilisieren, ist schließlich nicht so einfach.“

Zwei Monate sind seit dem Alarm des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) vergangen, zur Sicherung des maroden Kanalufers 200 Bäume fällen zu müssen. Die Hartnäckigkeit der Bürger konnte das Ausmaß des Abholzens zwar verringern, nicht aber verhindern, dass am 5. Juli 22 Bäume abgesägt wurden – und das während laufender Verhandlungen mit Bezirk und Bürgern. Noch einmal sollte nun mit einer Menschenkette das Amt den Bürgerzorn zu spüren kriegen. Noch einmal sollte dem Amt verdeutlicht werden, dass es seine Sanierungspläne für die Ufermauer nicht ohne die Bevölkerung umsetzen könne.

Kurz vor 15 Uhr hatte es aber so ausgesehen, als müsste die Kreuzberger Bürgerinitiative ihren ersten richtigen Rückschlag in Kauf nehmen. Lediglich ein paar Dutzend Aktivisten waren dem Protestaufruf pünktlich nachgekommen und tummelten sich auf der Admiralbrücke. Kaum mehr also, als ohnehin jeden Abend hier zusammenkommen. Doch kurz nach drei strömten hunderte Anwohner und Naturschützer aus ihren Häusern, um „gegen die Behördenwillkür“ und „für eine behutsame Sanierung“ zu demonstrieren. Rasch formierte sich die Menschenkette. Um 15.20 Uhr war die Kottbusser Brücke für eine halbe Stunde dicht, die Polizei musste die anrollenden Autos zum Umkehren bewegen.

Erleichterung machte sich breit, rhythmisches Klatschen und Sprechchöre wurden lauter, mitunter gab man sich sogar global. „Wir stehen hier mit den Baumschützern in Ecuador, die gegen eine Pipeline kämpfen“, rief eine Kreuzberger Mittvierzigerin, eingehüllt in eine regenbogenfarbene Friedensfahne, in ihr Megafon. „Und mit denen in China, die Staudämme verhindern wollen!“ Die Infostände an den Brückenrändern füllten sich, Flugblätter machten die Runde, an die Kreuzberger Jugend wurden Baumsamen verteilt.

Für gute Stimmung sorgte am Rande der Veranstaltung eine weitere Erfolgsmeldung: Die Bürgerinitiative hat jetzt mehr als 20.000 Unterschriften gesammelt. „Unser Rückgrat. Damit können wir fast eine Partei gründen“, betonte Sprecher Arno Paulus. „Das zeigt doch, dass wir Teil des Sanierungskonzepts werden müssen.“

Inzwischen hat das WSA allerdings dem Berliner Ingenieurbüro Plass und Partner den Auftrag erteilt, die Sanierung des Kanals zu planen. Zehn Varianten sollen dort in den nächsten Wochen für die Renovierung erarbeitet werden. Dass die Wünsche der Kreuzberger Initiative in die Entwürfe einfließen, ist eher unwahrscheinlich. Den Druck will man dennoch aufrechterhalten. Spätestens Anfang September soll es wieder eine große Protestveranstaltung geben, deren genaue Form noch diskutiert wird. „Jetzt machen wir erst mal ein bisschen Urlaub“, freute sich Paulus.